Antwortkarten im internationalen Postverkehr (Teil 3)
In den ersten beiden Teilen dieser Artikelserie lag der Schwerpunkt auf internationalen Antwortkarten, d.h. Doppelkarten, bestehend aus einem Frage- und einem Antwortteil. Von Anfang gab es eine gewisse Unzufriedenheit mit dieser „offenen" Lösung und es wurde nach Alternativen gesucht. Der dritte und letzte Beitrag dieser Serie beschäftigt sich mit den Alternativen zur Antwortkarte bis zur Herausgabe von internationalen Antwortscheinen in 1906.
Teil 3: Alternativen zur Antwortkarte
Von Anfang an wurden internationale Antwortkarten mit einem vorausbezahlten Antwortteil mit einer gewissen Ambivalenz betrachtet. Ein zentrales Problem war die offene Zugänglichkeit des Inhaltes.
Das Return Enveloppe Essay in den USA 1880
Am Anfang waren vor allem zahlreiche Geschäftsleute in den USA sehr umtriebig und versuchten, Alternativen zur ursprünglich in Deutschland erstmals aufgelegten Form der Doppelkarte zu entwickeln. Aus der Zeit zwischen ca. 1880 bis 1890 gibt es in den USA eine Vielzahl von unterschiedlichen Designs für Antwortkarten. Teilweise wurden die Karten kompliziert ineinander gefaltet, ein Entwurf bestand aus einer einfachen Karte, auf der der Text des Frageteils auf einem aufgeklebten Blatt Papier anzubringen war, dass dann über eine Perforation abgetrennt wurde, um dem Text des Antwortteils auf der Karte Platz zu machen.
Im Jahr 1880 wurden von Charles K. Marshall aus Vicksburg, Mississippi, mehrere Essays für einen kombinierter Frage- und Antwortbrief in unterschiedlicher Grosse sowie mit und ohne einen Wertstempeleindruck vorgelegt. Für Hin- und Rücksendung wurde - ähnlich wie bei vielen der US-Antwortkarten-Essays - dieselbe Seite eines Briefes verwendet, der quasi „herumgedreht" wurde. Um den Briefumschlag zweimal verwenden zu können, wurde auf der Rückseite ein spezieller Umschlagdeckel verwendet, der mittels einer Perforation ein zweites Mal verwendet werden konnte.
Das Essay von Marschall wurde ebenso wie die zahlreichen Antwortkarten-Essays auf private Initiative hin entwickelt. Das Ziel dahinter war, über Patente später gutes Geld zu verdienen. Leider wurde dabei übersehen, dass die US Post zum damaligen Zeitpunkt gar kein Geld für Patente ausgeben durfte - dieser Umstand wurde gesetzlich geregelt. In der Folge waren alle die Bemühungen letztlich umsonst und die US Post blieb beim etablierten Antwortkartenformat.
Das Antwortumschlag-Essay von Marschall (Vorderseite und verkleinerte Rückseite) aus dem Jahr 1880.
Das Essay für eine Antwortbriefmarke aus Grossbritannien 1894
Während die US-Essays eigentlich alle zuvorderst für Inlandspost vorgesehen waren, gab es zur selben Zeit immer wieder die Diskussion über eine „Welt-Briefmarke". Eine besondere Abwandlung diese „Welt-Briefmarke" waren international verwendbare Antwortbriefmarken.
Im Jahr 1894 produzierte die britische Post auf Basis der Druckplatte für die l % d Briefmarke „Queen Victoria" aus dem Jahr 1887 verschiedene Druckessays für ein zusammenhängendes Markenpaar aus einer Briefmarke für den Fragebrief und einer für den Antwortbrief. Die Marken wurden nie verausgabt, aber gezähnte und ungezähnte Versionen der ersten Druckstufe gelangten in private Hände und sind heute immer wieder zu finden.
Ungezähnter 6er-Block mit den Essays der britischen Frage-/Antwortbriefmarke sowie ein gezähntes Exemplar mit einer weiteren Druckstufe (Muster im Hintergrund) aus dem Jahr 1894.
Skizze eines Markenpärchens auf Basis des Phillips-Blocks aus dem Britischen Post-museum
Die heute in privater Hand vorhandenen Essays entsprechen nur einer unvollständigen Produktionsstufe. Einzig in der RM Phillips-Sammlung des Britischen Postmuseums in London gibt einen 8er-Block mit Marken, die Aufdruckvarianten in vier verschiedenen Farben, aber immer einem einheitlichen Text zeigen. Die nachfolgende Skizze wurde auf Basis des Phillips-Block erstellt. Erwähnenswert ist wohl, dass es sich hier um den einzigen Entwurf einer britischen Briefmarke handelt, die eine Länderbezeichnung aufweist. Interessant auch der Umstand, dass als Länderbezeichnung „United Kingdom" gewählt wurde, während auf britischen Antwortkarten immer der Begriff „Great Britain" verwendet wurde.
Die Internationale Antwortbriefkarte von El Salvador aus dem Jahr 1895
Einen Sonderfall stellt die im Jahr 1895 von El Salvador postamtlich verausgabte Briefkarte mit einem Frageund Antwortteil dar. Im Jahr 1888 wurden in Argentinien die erste Briefkarte (carte lettre, lettercard, billete postale) bestehend aus einem Frageund einem Antwortteil verausgabt. Schnell folgten ähnliche Ausgaben im gleichen Format in anderen südamerikanischen und europäischen Ländern. Hier sind v.a. die Frage-/Antwortbriefkarten aus Frankreich zu nennen. Trotz des Erfolgs dieses Formats, wurden Doppel-Briefkarten vom Weltpostverein nicht akzeptiert.
Trotz dieses „Verbots" verausgabte El Salvador in 1895 genau so eine Karte, die sogar mit den Worten „Union Postal Universal" (also in spanischer statt in französischer Sprache „Universelle") versehen wurde. Diese Karte ist damit quasi ein Meilenstein auf der Suche nach Alternativen zu Antwortkarten, da sie ja postamtlich verausgabt wurde, obwohl es keine Zustimmung des Weltpostverein gab.
Bis heute ist nur ein einziges zurück-gebrauchtes Exemplar dieser Karte zu finden. Es befindet sich in der Ausstellungs-sammlung von David G. Chiong über die Ganzsachen El Salvadors und wurde von London zurück nach El Salvador verwendet.
Rückseite bzw. Antwortteil der Briefkarte aus El Salvador
Der Weltpostkongress in Rom 1906
Den Höhepunkt und den vorläufigen Schlusspunkt auf der Suche nach Alternativen zur Antwortkarte bildete der Weltpostkongress in Rom 1906. Im Rahmen des Kongresses wurden von verschiedenen Ländern eine Vielzahl von Alternativen, Vorschlägen und Essays vorgestellt. Am Ende einigten sich die Delegierten auf den Vorschlag der neuseeländischen Delegation, statt einen „Antwort-Kartenbrief" oder einem „Antwortbriefumschlag" einen „Antwort-Gutschein" einzuführen. Damit war der bis heute noch immer in vielen Ländern verausgabte „Internationale Antwortschein" geboren.
Die kunstvoll verzierte Umschlagsseite des zweiten Tagungsbandes des Weltpostkongresses in Rom. In diesem „Schmöcker" waren Beispiele alle Essays enthalten.
Die in Rom präsentierten Lösungen kamen aus den folgenden Ländern:
- Ein Umschlag zur zweimaligen Verwendung (Schweden)
- Ein Paar aus zwei Umschlägen, die ineinander gesteckt wurden (Belgien und Schweiz)
- Ein Faltbrief im „Origami-Stil" (Schweiz)
- Doppel-Briefkarten (Frankreich und Russland)
Der schwedische Doppelbriefumschlag
Frage- und Antwortseite des schwedischen Doppelbriefumschlags.
Der belgische und schweizerische Entwurf bestehend aus zwei Umschlägen
Einen anderen Ansatz wählten die Schweiz und Belgien. Beide legten Vorschläge bestehend aus zwei Briefumschlägen vor. In beiden Fällen wurde der Antwortbrief in den Frageumschlag gesteckt, wobei auf dem Frageumschlag ein Fenster so ausgespart wurde, dass der Wertstempel des Antwortumschlags sichtbar wurde. Die Idee war, bereits bei der Verwendung des Frageumschlags den Wertstempel des Antwortumschlags zu entwerten und so dessen korrekte Verwendung im Rahmen der Hinsendung nachzuweisen. Damit entstand für die Rücksendung des Antwortumschlags aber die etwas ungewöhnliche Situation, dass dieser nur im Fall einer früheren Entwertung überhaupt gültig war - ein eklatanter Widerspruch zu allen sonst üblichen Praktiken.
Das Frage- (oben) und Antwortbriefpaar-Essay aus Belgien. Beim Frageumschlag sieht man den Wertstempel bzw. das Wertzeichen, das zwar auf dem Antwortumschlag angebracht war, aber die Beförderung des Frageteils beglich.
Das Schweizer Briefpaar mit dem Fragebrief (Demande) und dem eingesteckten Antwortbrief. Auch hier waren die beiden Wertzeichen auf dem Antwortteil angebracht.
Die französischen und russischen Essays für Kartenbriefe
Frage- und Antwortteil des französischen Briefkarten-Essays
Teilansicht der Antwortseite der russischen Briefkarte
Das Schweizer „Billet Lettre"
Eine gewisse Herausforderung stellte der zweite Lösungsvorschlag der Schweiz dar, den man am ehesten als „Faltbrief" bezeichnen konnte. Leider war der Faltvorgang so kompliziert, dass zum Bewältigen wohl eher eine „Origami"-Ausbildung gebraucht hätte.
Das gefaltete „Billet Lettre" der Schweiz. Auch hier wieder der Ansatz, beide Wertzeichen auf dem Antwortteil anzubringen und über Ausschnitte sichtbar zu machen.
Aufgefaltet zeigt sich die Fragilität dieser Lösung, die letztlich für den Alltagsgebrauch zu kompliziert war