Die Blockade von Venezuela 1902/03 in der Philatelie
Geschichtlich handelt es sich einmal um die Seeblockade durch englische und deutsche Kriegsschiffe, auf Verlangen der Engländer nahm daran auch ein italienisches Kriegsschiff teil, welches — soweit bekannt ist - vor dem Hafen von Coro (nördlich von Maracaibo) operierte. — Mehr oder weniger gleichzeitig war ein Aufstand gegen den Präsidenten General Castro im Gange. Diese Revolution nannte sich "La Verdadera Revoluciön LIBERTADORA", die "wirklich befreiende Revolution". In diesem Zusammenhang interessiert uns in erster Linie das Geschehen, welches sich im Osten des Landes unter General Matos abspielte. In einem späteren Artikel werde ich die Ausgaben der Revolutionsbewegung unter General Matos behandeln, welche in den meisten Katalogen unter Lokalausgaben Venezuela zu finden sind. Von Korv. Kapt. a.D. Fr. Crusemann wurden in den Veröffentlichungen der Poststempelgilde "Rhein-Donau" die Bewegungen der deutschen Division unter Admiral v. Tirpitz (als "KREUZERDIVISION" bezeichnet) genau beschrieben, soweit es die offizielle Blockadezeit vom 20. Dezember 1902 bis 2l. Februar 1903 betraf. Wirtschaftliche Übergriffe der venez. Regierung unter General C. Castro gegen Deutsche, Engländer und Italiener veranlassten die Europäer zu einem gemeinsamen Vorgehen. Verschiedene Einheiten der "Kreuzerdivision" kreuzten schon ein halbes Jahr vor dem Beginn der Blockade vor der venezol. Küste. Es sind zahlreiche Poststücke aus dieser Zeit bekannt. Es handelt sich meist um Postkarten mit kursierenden Germania-Marken frankiert, welche den jeweiligen Stempel des Marine-Postamtes auf dem zuständigen Schiff aufweisen und auch so gut wie immer den Ankunftsstempel im deutschen Reich (Abb. l und 2).
Abb. 1: Venezolanische Ganzsache mit 5Pfg. Germania, beide mit Marineschiffspoststempel vom Juli 1902, also vor der Blockade. Die 5Pfg-Marke hätte als Porto genügt. Zu dieser Zeit war die Post der Besatzungsmitglieder portopflichtig.
Abb. 2: Kartenbrief (Ganzsache) mit Stempel "KAIS. DEUTSCHE MARINE-SCHIFFSPOST No 10, 21 12 02". Wohl bestand bereits ab 20.12.02 Portofreiheit; die Verfügung traf aber nicht früh genug bei allen Schiffen ein. Deshalb gibt es auch Feldpoststempel noch nach dem 21.2.03.
Ein von England und Deutschland im September abgefasstes Ultimatum an General Castro blieb unbeantwortet. Am 10. Dezember stürmte der Pöbel in Pto. Cabello den englischen Frachter "Tofosa". Als auch ein Ultimatum des Kommandanten des englischen Kreuzers "Chrybdis" unbeantwortet ablief, beschoss dieses Kriegsschiff zusammen mit dem deutschen Kreuzer S.M.S. "Vineta" die beiden Forts des Hafens. Nachdem die diplomatischen Vertreter Englands und Deutschlands La Guaira auf den Kriegsschiffen verlassen hatten, wurde am 20. Dezember 1902 die Blockade über die Küste verhängt.
Die deutsche Kreuzerdivision bestand aus dem grossen Kreuzer "Vineta", den 3 kleinen Kreuzern "Gazelle", "Falke" und "Sperber", den Schulschiffen "Charlotte" und "Stosch", dem Versorgungsschiff "Sibiria" und dem Kanonenboot "Panther". Dazu kam das von S.M.S. "Gazelle" am 11. Dezember 1902 vor dem Hafen Guanta als Prise aufgebrachte venezolanisehe Kanonenboot "Restaurador", das vorerst nach Port of Spain gebracht wurde und bis zur Rückgabe an Venezuela am 21. Februar 1903 den Marineschiffspost-Stempel Nr. 65 vom Dampfer "Sibiria" übernahm.
Währenddem vor und nach der offiziellen Blockadezeit die Post des Marinepersonals freizumachen war, so galt während der Blockadezeit Portofreiheit, d.h. es handelte sich nunmehr um Marine-Feldpost (Abb. 3). Feldpostbelege kommen noch mit Daten bis Ende Februar vor.
.Abb. 5: portofreie Feldpostkarte. Stempel "KAIS. DEUTSCHE MARINE-SCHIFFSPOST No l vom 17.2.03". Es handelt sich dabei um offizielle Vordrucke zur Verwendung bei der Marinefeldpost.
Kurze Angaben über diese Kaiserlich Deutsche Marine- Schiffs- und Feldpost finden sich im Michel Spezialkatalog nach dem Abschnitt "Deutsche Kolonien" (Ausgabe 1983/84 Seite 975). Haben Leser Informationen über Postbelege der beteiligten englischen Einheiten und des italienischen Kriegsschiffes?
Ich möchte noch besonders verweisen auf den Artikel von Korv. Kap. Crusemann "Die Venezuela-Blockade 1902/03" in der DBZ Nr. 5 von 1957.
Besonders interessant erachte ich eine Reihe von Belegen meiner Sammlung, welche Berichte des Kriegsmarine-Personals enthalten über kriegerische Handlungen, wie beispielsweise über die Beschiessung des Forts San Carlos bei Maracaibo und der Forts von Pto. Cabello.
Zu den seltensten deutschen Poststücken zählen jene der beiden Schulschiffe "Charlotte" und "Stosch" sowie jene mit dem Marine-Poststempel Nr. 65, vor allem vom Transportschiff "Sibiria". Auch solche vom "Restaurador" sind sehr gesucht. Es muss leider noch erwähnt werden, dass auch gefälschte Marinefeldpost-Belege existieren.