Deutsches Reich - EilbesteIl-Briefe in der Inflationszeit
Mit der Gründung des Deutschen Reiches und der Einführung der Reichspost auf den 01.01.1875 galten erstmals einheitliche Postgebühren in Deutschland, dies mit Ausnahme der Länder Bayern und Württemberg, die ihre Posthoheit nach der Reichsgründung noch behielten. Dies gilt auch für alle angebotenen Sonderdienste der Post, somit auch für die Eilzustellung von Briefsendungen. Die Zuschläge für Eilzustellungen betrugen in der Zeit vom 01.01.1875 - 30.6.1906 konstant 25 Pfennige
Ab dem 01.07.1906 wurden zwei verschiedene Gebührenstufen für die Eilzustellungen eingeführt. Das sind einerseits Gebühren für Ortszustellbezirke und andererseits wesentlich höhere Gebühren für Landzustellbezirke. Diese differenzierten Eilbestellgebühren blieben bei der Deutschen Post bis zum 28. Februar 1963 bestehen
Die Eilsendung ist ein gebührenpflichtiger Sonderdienst für die schnellste Postverbindung auf dem Landweg am Bestimmungsort zwischen 6 Uhr und 22 Uhr durch besondere Boten (Eilzusteller, Eilboten). Die Kennzeichnung von Eil-Briefpost erfolgte durch entsprechende handschriftliche Vermerke und seit 1911 durch die Verwendung von Klebezetteln.
Der 01.07.1906 ist gleichzeitig auch der Beginn der Gebührenperiode l der Inflationszeit. Die ersten Belege mit dem höheren Tarif für die Landzustellbezirke fallen daher auch in die 1. Periode der Inflationszeit.
Die meisten Eilbriefe fielen unter den Tarif für Ortszustellbezirke. Der wesentlich höhere Tarif für Landzustellbezirke galt nur für Zustellungen in entlegene Gebiete. Meist waren dies einzelne Gutshöfe oder Anwesen mit grösserem Abstand zur nächsten Postzustellung oder kleineren Postagenturen. Sie kamen vielfach in Ostpreussen, Pommern oder Schlesien vor. Gemäss einer Aussage von Herrn Dr. Helmut Oechsner, langjähriger Prüfer von Infla-Berlin, «sind Belege von Eilsendungen mit Landzustellgebühren sehr sehr selten. Ich habe unter tausend Eilbriefen keine 10 Stück gesehen!»
Mit diesem Bericht wird nur die differenzierte Eilbesteil-Gebühr für Briefe im Inlandverkehr dokumentiert. Bei den Eilsendungen gibt es noch weitere Gebührenarten und sammelnswerte Spezialitäten wie z.B. die Behandlung von Späteinlieferungen, Weiterleitungen, Sendungen, bei denen nur der Eilbote zu bezahlen war (Feldpost, Dienstpost etc.). Diese Formen zu dokumentieren, sprengen den Rahmen eines Kurzberichtes.
Eilzustellungen im Ortszustellbezirk, dargestellt an zwei Briefen:
Brief vom 22.10.1921 von GRAFENWÖHR nach Weiden in der Oberpfalz, in die Gebührenperiode 6 fallend
Buntfrankatur mit Einschreiben und Eilboten. Die Gebühr für Fernverkehr - 20 g betrug 60 Pfg., die Einschreibgebühr 100 Pfg. und die Eilbestellgebühr 150 Pfg., also gesamthaft 310 Pfg. Der Brief ist mit 3.10 M, also gebührengerecht frankiert.
Der 3 M-Wert, (Michel Nr. 155, urspr. Nr. 151 mit Aufdruck 3 M) ist selten im Briefverkehr zu finden. Die Briefmarke mit Überdruck wurde wegen Verdacht auf Aufdruck-Fälschungen ab dem 20.01.1922 nicht mehr am Schalter verkauft und diente danach allein für postinterne Dienste.
Der Brief wurde am 22.10. zwischen 10 - 11 Uhr am Vormittag in Grafenwöhr abgefertigt. Die Rückseite des Briefes trägt den Ankunftsstempel WEIDEN (Opf.) 2, 9 - 10 N. Der Brief ist Infla geprüft.
Brief vom 25.10.1922 von NÜRNBERG nach Berlin W15, in die Gebührenperiode 9 fallend.
Buntfrankatur mit Eilbestellung. Die Gebühr für Fernverkehr - 20 g betrug 6 M und die Eilbestellgebühr weitere 6 M, also gesamthaft 12 M. Der Brief ist mit 12 M gebührengerecht frankiert.
Der Brief wurde vom Absender am 24.10 mit dem Stempel «Durch Eilboten!» versehen und nach der letzten Leerung in den nächsten Briefkasten geworfen. Am Morgen des 25.10. wurde der Brief bei der 1. Leerung aus dem Briefasten entnommen und anschliessend zwischen 6 - 7 Uhr im Postamt Nürnberg abgefertigt, mit dem Klebezettel «Durch Eilboten.» versehen und auf die Reise nach Berlin geschickt. Zusätzlich wurde der Brief mit dem Stempel «Aus dem Briefkasten» versehen. Die Post sicherte sich dadurch den Nachweis für eine pflichtgerechte Beförderung. Die Rückseite des Briefes weist den Ankunftstempel BERLIN W 26.10.22.10.40 V auf.
Eilzustellungen im Landzustellbezirk, dargestellt ebenfalls mit 2 Briefen:
Brief vom 13.09.1921 von JENA nach Hummelshain b. Kahla, in die Gebührenperiode 6 fallend. Mehrfarbenfrankatur mit Eilbestellung. Die Gebühr für Fernverkehr - 20 g betrug 60 Pfg. und die Eilbestellgebühr für Landbestellbezirke 300 Pfg., also gesamthaft 360 Pfg. Der Brief ist mit 3,60 M gebührengerecht frankiert. Die Gebühr für Ortsbestellbezirk betrug in der Gebührenperiode 6 nur 150 Pfg.
Der Brief wurde am 13.09.1921 zwischen 9-10Uhram Vormittag in Jena abgefertigt und auf die Reise nach Hummelshain geschickt. Die Rückseite des Briefes weist den Ankunftsstempel HUMMELSHAIN 13.9.21, 3 - 4 N auf. Hummelshain ist eine Gemeinde mit dem Ortsteil Schölln in Thüringen. Die Ortschaft liegt im Süden des Saale-Holzland-Kreises und ist Teil der Verwaltungsgemeinschaft Südliches Saaletal. Die Echtheit des Beleges wird mit Fotoattest von Herrn Udo Fleiner vom 06.04.2020 bestätigt.
Trauer-Brief vom 26.06.1923 von MÜNCHEN 36 nach Schwaiganger, in die Gebührenperiode 13 fallend. Buntfrankatur mit Eilbestellung.
Die Gebühr für Fernverkehr bis 20 g betrug 100 M und die Gebühr für Landbestellbezirk 350 M, somit 450 M. Die frankierten 450 M entsprechen der erforderlichen Gebühr. Die Gebühr für Ortszustellbezirk betrug in der Gebührenperiode 13 nur 120 M.
Der Brief wurde am 26.06.1923 zwischen 9-10 Uhr am Vormittag in München 36 abgefertigt. Die Rückseite des Briefes weist den Ankunftsstempel MURNAU 26. JUN. 23 5 - 6 N auf. - Schwaiganger ist ein Aussenbezirk von Murnau am Staffelsee
© Schweizerische Vereinigung für Postgeschichte / SVPg