Der deutsch-französische Krieg 1870/71
Studiert man die Aktivitäten der bayrischen und württembergischen Militärpost etwas aufmerksamer, so entdeckt man, dass die Vorschrift, die zivile Korrespondenz mit den neu herausgegebenen Besatzungsmarken zu frankieren, sehr verschieden ausgelegt wurde. Tatsächlich findet man auf einigen überprüften Dokumenten Frankaturen mit 3-Kreuzer-Marken, die von verschiedenen Postämtern abgestempelt worden sind und zwar in der Zeit von Oktober 1870 bis Ende Februar 1871
Daraus lässt sich schliessen, dass sich diese Verwaltungen trotz der preussischen Verordnung, die am 9. September 1870 in Nancy erlassen wurde, nicht vom Verkauf und besonders vom Gebrauch der eigenen Marken abhalten Hessen. Ihre Poststellen scheinen sich im Gegenteil darauf spezialisiert zu haben, ihre Leistungen flexibel zu gestalten, sie den Notwendigkeiten des zivilen Verkehrs anzupassen und zugleich die vorgeschriebenen Frankaturen anzuwenden.
Handelt es sich dabei um eine typisch bayrische und württembergische Eigenheit oder sind ähnliche Verfahren bekannt, die Poststellen anderer deutscher am Konflikt beteiligter Staaten anwendeten? Das Beispiel von württembergischen Ganzsachen (Fig. 1), versehen mit diversen Stempeln preussischer Poststellen, lässt darauf schliessen, dass dieses am 9.9.1870 offiziell aufgehobene Verfahren weitherum praktiziert wurde. Wie sonst lässt sich das Vorhandensein von Marken des N.D.P.B. (Fig. 2) erklären, vor allem auf Briefen ins Ausland, die alle mit einem Feldpost-Stempel versehen sind? Es ist anzunehmen, dass das Umgehen der Anweisungen einer schnelleren Beförderung der Post diente, und keineswegs der Staatskasse schadete, denn jeder kam auf seine Rechnung.
Ganz anders reagierte die zivile Besatzungspost, deren vorsichtige Haltung sich sehr von der toleranteren der Feldpost abhebt. Zur Illustration dazu zwei Beispiele. Der erste Brief (Fig. 3), aus der Zeit gegen Ende der Feindseligkeiten, "passierte" unbehelligt, da er immer in den Händen der bayrischen Post blieb. Der zweite jedoch (Fig. 4), frankiert mit einer bayrischen Marke, die aus preussischer Sicht ihren Wert im besetzten Gebiet verloren hatte, wurde mit "30" taxiert, als Strafe wegen Nichtbeachtens der geltenden Vorschriften.
Diese Beispiele zeigen einen besonderen Aspekt der deutschen Post im besetzten Gebiet. Sicher existieren noch weitere Dokumente, die über diese interessanten Verfahren Aufschluss geben könnten. Es bleibt uns zu wünschen, dass ihre glücklichen Besitzer uns daran teilhaben lassen, damit sich die philatelistischen Kenntnisse weiter vertiefen lassen. Im voraus können sie unserer Dankbarkeit gewiss sein.