Flugpost aus Liechtenstein im zweiten Weltkrieg nach Amerika (IV)

(Ein Beitrag zur Postgeschichte von Liechtenstein)
5. Luftpost aus Liechtenstein nach Nordamerika
Die bereits eingangs erwähnten, im Frühsommer 1939 eröffneten Fluglinien über den Nordatlantik blieben auch nach den Kriegserklärungen von Frankreich und Grossbritannien am 3. September 1939 an das Deutsche Reich bestehen, allerdings ergaben sich einige Änderungen. Die Nordroute der PAA ab Southampton via Shannon (Irland), Shediac (British Neufundland) und Botwood (Canada) nach New York wurde mit Kriegsbeginn eingestellt, während die englische Linie (Imperial Airways) bis 23.9.1939 noch einmal wöchentlich (samstags) diese Strecke beflog. Die beiden dort eingesetzten Flugboote "Cabot" und "Caribou" wurden anschliessend der RAF (Britische Luftwaffe, Küstenkommando) übergeben und im Jahre 1940 bei Kampfhandlungen in Norwegen zerstört.
Die Südroute der PAA begann bzw. endete nur bis 29. Juli 1939 in Marseille, danach wurde die Linie von Lissabon, ab jetzt "European Terminal" der PAA, über Horta (Azoren) nach New York zweimal wöchentlich (ab 1. Oktober 1939 sonntags und mittwochs) beflogen. Diese Fluglinie (PAA — FAM 18) wurde die einzige Flugverbindung zwischen Europa und Amerika, welche während des ganzen Krieges bedient wurde. Nicht nur fast die gesamte Nordamerika-, sondern auch ein Grossteil der Südamerikaluftpost aus Europa wurde über sie befördert.
Als einzige Zwischenlandung auf dem Weg von Europa nach Nordamerika war Horta (portugiesische Azoren) vorgesehen, das später teilweise nicht mehr angeflogen wurde.
Dagegen war Hamilton (auf den britischen Bermuda-Inseln), welches ursprünglich von der PAA Linie FAM 17 ab und bis New York bedient wurde, nicht als Zwischenetappe der Nordatlantikroute ausgewiesen worden. Gemäss Veröffentlichungen im Schweizer PTT-Amtsblatt betrug das Luftpostporto nach den Bermuda-Inseln 50 Rp. Zuschlag je 5 gr. bis New York und für die Strecke New York - Hamilton weitere 30 Rp., also insgesamt 80 Rp. Tatsächlich wurde jedoch Hamilton bereits zu Ende des Jahres 1939 eine regelmässige Etappe der PAA, Linie FAM 18, auch wenn dies in den PTTMitteilungen nicht ausgedruckt wurde.
Nach Angaben in den britischen Air Mail News machte der "Yankee Clipper" am 1.9.1939 die erste Zwischenlandung im Hafen von Hamilton; allerdings ohne Postaufnahme oder -abgäbe auf den Bermudas. Erst ab 16.11.1939 wurde auch lokale Flugpost vom PAA-Clipper mitgenommen.
Zwischen Anfang Januar und Ende Februar 1940 machte es der strenge Winter in Amerika notwendig, dass die Endstation des Transatlantikflugverkehrs ("American Terminal") von New York südwärts nach Baltimore, dann Norfolk, Charleston bis hinunter nach Miami verlegt wurde, was man bei Einschreibebriefen gut aufgrund der "Received marks" ermitteln kann. Die Clipper waren Flugboote, die in Häfen oder Flussarmen wasserten; wegen der zunehmenden Vereisung der Häfen von New York bzw. der Ostküste wurden die Flugboote in "eisfreie" Ausweichhäfen dirigiert. Die Zwischenlandüng auf den Bermudas wurde in diesem Zeitabschnitt beibehalten. Mit Beginn des Jahres 1940 legte die britische Regierung eine Reihe von Plätzen fest, an denen die Transitpost zensiert werden sollte, wobei in Westindien Port of Spain (Inseln Trinidad & Tobago) sowie Hamilton (Bermuda-Inseln) von spezieller Bedeutung waren. Aber auch in fast allen anderen britischen Besitzungen in Amerika zwischen Neufundland im Norden und den Falkland-Inseln im äussersten Süden wurden Zensurbehörden eingerichtet, die als Verschlussetiketten überwiegend britische "P.C.90" Formulare verwendeten.
Am 19.1.1940 berichtete die New York Times (vgl. "PAA Flights through Bermuda during 1940" by Horst Augustinovic im CCSG-Bulletin vom Februar 1981, Vol. 8, Seite 43 ff.), dass am Tag zuvor (18.1.1940) bei PAA-Flug Nr. 85 erstmals Transitpost von Bord des Clippers "American" durch die lokalen Behörden zum Zwecke der Zensur übernommen wurde. Der Chef-Zensor der Bermudas wurde mit dem Ausspruch zitiert: "Auf Anweisung unserer Regierung wird von jetzt ab die europäische Transatlantik-Post zensiert." Da die normale Post auf Schiffen bereits zuvor in die Zensur einbezogen worden war, hatte die amerikanische Regierung am 22.12.1939 bei der britischen Regierung gegen Eingriffe in die Post von und nach den USA offiziell protestiert. Die Verärgerung in Amerika über diese britische Massnahme steigerte sich, als ab Mitte Januar 1940 auch die Flugpost in die britische Überwachung einbezogen wurde. Die Amerikaner gestanden den Briten nur das Recht zu, ihre eigene Post und solche Transatlantikpost zu zensieren, die "freiwillig in ihre Jurisdiktion" gelangte. Am 20. Januar 1940 berichtete die New York Times, amerikanische Transatlantik-Flugzeuge sollten solange keine Zwischenlandung auf den Bermudas vornehmen, wie die Engländer in ihrer Haltung zur Postzensur keine Änderung vornehmen würden. Der englische ChefZensor soll dabei zugesichert haben, beim Flugverkehr nach Amerika hauptsächlich deutsche Post zu zensieren und in geringerem Umfange Korrespondenz aus den neutralen Ländern. Das Hauptinteresse der Briten lag in der Korrespondenz aus Feindländern sowie dem Handelsb riefverkehr. Derartige Post würde nach der Kontrolle dem nächsten Flugboot mitgegeben und nicht länger verzögert. In dieser Erklärung kann man einen der Gründe dafür sehen, warum es auch unzensierte Post aus dieser Epoche gibt.
Die Vornahme der Zensur und höhere Landegebühren im Hafen von Hamilton veranlassten die Amerikaner im Jahre 1940 wiederholt, z.B. von Mitte März bis Mitte Juni, von Ende Juni bis Ende August, und schliesslich im September und Oktober 1940, immer wenn es nur ging, Horta anzufliegen und die Bermudas zu meiden, weswegen die entsprechende Post unzensiert blieb.
Zuleitungen ab Liechtenstein waren nach Kriegsbeginn entweder auf dem Landwege bis Portugal oder via Chiasso 2 mit der Bahn bis Rom und von dort mit der italienischen Fluglinie (Ala Littoria) möglich, die von Oktober 1939 bis April 1940 eine Luftpostverbindung über das westliche Mittelmeer (Palma de Mallorca bis Barcelona) betrieb. Ab 22. Juni 1940 wurde diese Linie von Rom via Cagliari (Sardinien, nur bis August), Barcelona und Madrid nach Lissabon verlängert und hatte jetzt direkten Anschluss an den Nordatlantikverkehr.
Da seit 22.6.1940 der nördliche Teü Frankreichs von deutschen Truppen besetzt und mit Frankreich ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen worden war, konnte die Deutsche Lufthansa am 1.9.1940 eine Fluglinie von Berlin aus über Stuttgart nach Madrid eröffnen, die ab 1.11.1940 bis Lissabon verlängert wurde.
Abb. 8 zeigt einen eingeschriebenen Brief, der am 5. Oktober 1940 in Vaduz mit genauer Leitvorschrift für die Luftpostbeförderung aufgegeben worden ist. Die Route führte mit der Bahn via Leitpostamt Basel 2 nach Stuttgart, von dort mit der Lufthansa nach Madrid, weiter entweder mit der Bahn oder der spanischen Iberia nach Lissabon und ab dort mit PAA-Clipper, der ab Juli 1940 laut Flugplanveröffentlichungen dreimal wöchentlich (montags, donnerstags und samstags) über Horta nach New York verkehrte. Die Sendung ist am 20. Oktober 1940 in New York und gemäss Ankunftstempel am 21. Oktober 1940 in Philadelphia eingetroffen. Eine Zensur auf dem Transitweg fand bei diesem Brief weder deutscher- noch englischerseits statt.
Eine am gleichen Tag aufgegebene uneingeschriebene Sendung (Abb. 9) mit dem gleichen Leitweg trägt rückseitig nur den Durchgangstempel von Buchs (St. Gallen). Allerdings ist dieser Brief durch die britische Zensur gegangen, denn er trägt auf der linken Seite einen breiten weissen Zensurstreifen mit der Formularbezeichnung "P.C.90" und dem Aufdruck "OPENED BY EXAMINER 913".
Beide Briefe (Abb. 8 und 9) sind portogerecht mit hohen Werten aus der Gedenkserie zum 100. Geburtstag des Fürsten Johann II. von Liechtenstein frankiert und tragen den grünen Zusatzsonderstempel des Postamtes Vaduz vom 5. Oktober 1940.
Eine Erklärung für die unterschiedliche Behandlung bei der Zensur könnte darin liegen, dass beide Briefe im gleichen Postsack befördert wurden, die Engländer sich jedoch nur auf eine "Stichprobenmassige" Kontrolle bei der Transitpost aus neutralen Ländern beschränkten.


Viel wahrscheinlicher ist dagegen, dass die beiden Briefe in getrennten Postschlüssen reisten. In der bereits zitierten Arbeit von Horst Augustinovic (CCSG Bulletin von Februar 1981, Vol. 8) ist auf Seite 45 f. eine Aufstellung der PAA-Clipper, die im Jahre 1940 auf den Bermudas zwischenlandeten. PAA-Clipper "Dixie" kam bei Flug Nr. 219 am 10.10.1940 in Hamilton an, während die nächsten drei Flüge über Horta (Azoren) gingen. Als nächster Clipper erreichte "Atlantic" auf Flug Nr. 227 am 22. Oktober 1940 die Bermudas und entlud seine Transatlantikpost der Zensur.
Da Beleg Nr. 8 Vaduz am 5. Oktober 1940 verliess, ist es bei den kriegsbedingten Umleitungen unmöglich, dass der Brief bereits am 10.10.1940 in Hamilton eintraf. Andererseits kam der Brief bereits am 20. Oktober 1940 in New York an, während "Atlantic" erst zwei Tage später Hamilton erreichte. Es kann somit als gesichert gelten, dass dieser Beleg deshalb unzensiert blieb, weil er mit einem der PAA-Flüge Mitte Oktober 1940 über Horta geleitet wurde. Bei Beleg Nr. 9 muss dagegen aufgrund der englischen Zensur angenommen werden, dass er mit einem der späteren Oktober-Flüge, die alle wieder über die Bermudas führten, transportiert und deshalb der englischen Zensur unterworfen wurde.
Auch die Engländer (Imperial Airways/ BOAC) begannen im Sommer 1940 wieder mit einem unregelmässigen Transatlantikflugverkehr, der hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden soll. Post ab Schweiz/Liechtenstein ist auf dieser englischen Linie jedoch mit Sicherheit nicht befördert worden.
Am 3. August 1940 flog Captain J.C. Kelly Rogers, der schon am 6.8.1939 den Erstflug der Imperial Airways nach New York durchgeführt hatte, mit dem Flugboot "Cläre" ab Poole (bei Bournemouth an der englischen Südküste) via Foynes, Botwood und Montreal nach New York. Nach 5 Transatlantikflügen sowie einigen Westafrikaflügen wurde die Linie am 11.10.1940 wohl wetterbedingt wieder eingestellt.

Fortsetzung folgt