"DESINFIZIERT". Was gibt es neues im Jahr 2025

Von (Fabien Barnier, Academie de Philatelie, CPhH)

Seit meinem letzten Artikel zu diesem Thema, welcher in Frankreich 2021 (1) und in der Schweiz 2022 in deutscher Sprache 2022 (2) erschienen ist, sind verschiedene interessante Neuentdeckungen aufgetaucht, welche ich den Lesern der POSTGESCHICHTE gerne vorstellen möchte.
Dank der beiden Artikel haben mir mehrere Sammler und Händler Photokopien ihrer Dokumente zugestellt. Das genaue Studium der Auktionskataloge während der letzten fünf Jahre erlaubte es mir auch neue Daten zu finden und so die Listen der Verwendungszeiten des Balkenstempels «Desinfiziert» zu verbessern.
In meiner ersten Zusammenstellung von 2021 hatte ich 22 Gemeinden aufgeführt, die entweder einen Stempel oder eine Etikette verwendet hatten, welche die Desinfektion der Briefschaften während der verschiedenen Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche im Kanton Bern zwischen 1919 und 1923 dokumentierten (50 Dokumente).
Am 1. März 2025 waren wir bei 23 Gemeinden (neu dazugekommen ist Lyssach) und die Entdeckung eines neuen vierzeiligen Stempels für das Dorf Aefligen. Die Anzahl der registrierten Dokumente mit dem Stempel «Desinfiziert» ist von 50 auf 85 angewachsen. Zusätzlich hat das systematische Ausmessen der Stempel ergeben, dass in verschiedenen Gemeinden mehr als ein Stempel verwendet worden ist (Alchenstorf, Ersigen, Jegenstorf und Münchenbuchsee).

1. Neues Dorf: LYSSACH (Bezirk Burgdorf / 726 Einwohner 1910).

LYSSACH 20.VII.20 ach LAEUFELFINGEN. «Desinfiziert» (44 x 6/4 mm)

2. Neuer Stempel für bereits aufgeführte Gemeinde: AEFLIGEN (Bz. Burgdorf/408 Einwohner)
Bis 2023 kannten wir nur einen Brief mit dem einzeiligen Stempel «Desinfiziert» in violetter Farbe. Ein neu entdecktes Dokument zeigt einen vollkommen anderen Stempel auf 4 Zeilen «Desinficiert den 1. Juli / *Seuchenpolizei* Aefligen».

AEFLIGEN 15.VII.20 auf einer retournierten Drucksache aus Bern (Unbekannt) «Desinfiziert» (55x7/5 mm).

AEFLIGEN 1.VII.20 nach GRÜNMATT 2.VII.20. «Desinficiert den 1. Juli / *Seuchenpolizei* Aefligen».

3. Verschieden grosse Stempel für eine Gemeinde.
Die Nachkontrolle der Masse der verschiedenen «Desinfiziert»-Stempel zeigt die Existenz verschiedener Stempel in derselben Gemeinde. Dies möglicherweise wegen der Abnützung der Stempel beim Gebrauch. Dies gilt für 2 Ortschaften in welchen jeweils der praktisch identische Stempel aber mit wesentlich veränderten Dimensionen verwendet wurde (Ersigen und Jegenstorf). In zwei Gemeinden wurden total unterschiedliche Stempel in Schrift und Grosse verwendet (Alchenstorf und Münchenbuchsee).

ALCHENSTORF 13.VII.20 nach BERN. «DESINFIZIERT» (85 x 7 mm).

ALCHENSTORF 15.VII.20 nach BERN. «Desinfiziert» (29 x 3.5/2.5 mm)

Die Unterschiede sind für Ersigen und Jegenstorf weniger gut sichtbar. Aber ein genaues Nachmessen bestätigt die Verwendung verschiedener Stempel «Desinfiziert» für diese beiden Gemeinden. Dies auch bei Berücksichtigung des Abschlags und der Abnützung des Stempels.

JEGENSTORF 6.IV.20 nach ZAUGGENRIED über FRAUBRUNNEN 7.IV.20. «Desinfiziert» (51 x 7/5 mm).

JEGENSTORF 26.IV.20 nach BELP 27.1V.20. «Desinfiziert» (55 x 8/5 mm).

4. Für die Desinfektion verwendete Mittel.
Bis heute war es mir nicht möglich herauszufinden welche oder welches Mittel oder Produkt für die Desinfektion der Post verwendet wurde. In den 86 konsultierten Dokumenten findet sich kein Hinweis für die angewandte Methode. Die offiziellen Texte sagen nur, wie Kleider oder Gerätschaften, welche möglicherweise mit dem infizierten Vieh in Kontakt waren, zu desinfizieren seien. Diese Epidemie scheint gegenüber von späteren Ausbrüchen der Seuche von geringerer Bedeutung gewesen zu sein, wie der untenstehende Text zeigt.

FOTO  
«Kampf gegen die Maul- und Klauenseuche in der Schweiz» des Fotodienstes der New York Times. Rückseitiger gedruckter Text «Neuenburg. Der Kanton Neuenburg in der Schweiz ist wahrscheinlich der einzige dieses Landes in welchem die Maul- und Klauenseuche noch nicht ausgebrochen ist. Um gegen diese schwere Epidemie zu kämpfen haben die kantonalen Behörden wichtige Massnahmen getroffen. Ankommende Reisende mussten im Bahnhof oder am Schiffssteg durch antiseptische Sandbecken gehen. Die Reisenden lassen damit die Keime der Seuche, welche sich möglicherweise an den Sohlen befunden hatten im Sand zurück.» Photo NYT 15711/1938

Tabelle der erfassten Belege


Beim Lesen dieser Tabelle fällt auf:
- Die Mehrheit der Dokumente datiert aus der Zeit zwischen April und Juli 1920 (2. Phase der Epidemie)
- Eine Grosszahl der Dokumente stammt aus 3 Dörfern. Jegenstorf (15), Münchenbuchsee (15) und Fraubrunnen, während man aus 9 Dörfern nur je einen Beleg mit dem Stempel «Desinfiziert» findet.
- Es existiert nur eine Etikette «Desinfiziert, welche 1919 in Rüfenacht bei Worb verwendet wurde (5 Belege)

Diese Studie soll weitergeführt werden und ich möchte hier im Voraus allen Sammlern Danken welche mir Scans zur Verfügung stellen. (Mail df.barnier@wanadoo.fr). Ich danke hier auch den Herren Bach, Geissmann, Probst und Zeder für die Übermittlung von Dokumenten seit meinem Artikel aus den Jahren 2021/2022.

Unterlagen (In Deutsch und Französisch / Bibliografie am Ende des Artikels)

- (1): Barnier F. Le Service postal suisse durant l'epidemie defievre aphteuse entre 1919S et 1923 dans le canton de Berne. Documents Philateliques 248/2021

- (2): Barnier F. Die Schweizer Post während der Maul- und Klauenseucheepidemie zwischen 1919 und 1923 im Kanton Bern. Postgeschichte 168-169/2021-2022.