Abnormitäten bei Tüblibriefen (III)

6.2 Fehler zweiten Grades
6.2.1 Doppelprägungen
Wenn der Arbeiter zwei Rohlinge gleichzeitig in die Monogrammpresse einschob, wurde der obere Brief normal farbig geprägt, der untere hingegen erhielt nur die Prägung ohne Farbe; es entstand ein Albino. Bemerkte der Arbeiter seinen Fehler und schob den unteren Brief - also den Albino - noch einmal in die Vorrichtung, allerdings nicht deckungsgleich zum ersten Prägevorgang, dann entstand ein seitlich verschobener zweiter Druck, den wir Doppelprägung nennen.
Blättert man den Zumstein-Ganzsachen Katalog durch, dann wird man erkennen, dass von fast jedem Umschlag Doppelprägungen existieren. Diese sind üblich ungebraucht teurer als gebraucht, allein deshalb, weil eine ziemliche Preisdifferenz postfrisch zu gestempelt besteht. Meines Erachtens gehören sämtliche Doppelprägungen von der Zumstein Nr. 4 — 16 im Preis stark angehoben.
Man kann aber auch noch eine andere Betrachtung anstellen: Die meisten Umschläge wurden von der 10-Rappen-Emission verausgabt, dann von jenen zu 5, zu 25 und zu 30 Rappen in abnehmenden Auflagen. Zwangsläufig sind dadurch echt gebrauchte 25er und 30er Umschläge (Zumstein Nummern 6, 7, 10, 11, 14, 15) als rar zu bezeichnen.
Briefe in guter Erhaltung erzielten bei den Auktionen der letzten Jahre Spitzenergebnisse, vor allem gebrauchte Exemplare mit Zusatzfrankatur.

Abbildung zu Punkt 6.2. l Deutlich nach rechts verschobener Doppeldruck auf dem Tübli-Brief Nr. 4 mit Zusatzfrankatur für Inlandsbriefporto.

6.2.2 Albinos
Über die Entstehungsgeschichte der Albinos brauche ich nicht nochmals zu berichten, denn das im Kapitel Doppelprägungen Gesagte hat Gültigkeit, auch bezüglich Seltenheit und Preise. (Ausnahme Nr. 14 ungebraucht) Besonders beliebt sind natürlich Albinos mit Zusatzfrankatur, die jedoch sehr selten sind und somit einer eigenen Gesetzmässigkeit bei der Preisfestsetzung unterliegen.
Hier bietet sich einmal die Gelegenheit, meinen Unmut über Radiergummi-"Verbrecher" zu äussern. Bei fast allen gebrauchten Albinos haben die Postbeamten einen blauen Kreis um den "Wertstempel" gezogen. Dies sollte für alle kontrollierenden Stellen, aber auch für die Postbeamten, die den Brief zuzustellen hatten, das Zeichen sein, dass das Porto ordnungsgemäss bezahlt wurde. Nun gab es und gibt es offensichtlich noch immer "Sammler", die glauben, ein solches philatelistisches Dokument in der Art schöner zu gestalten, indem sie die blauen Kreise abradieren. Übrigens kann man diesem Unsinn auch immer wieder bei Belegen mit Nachnahme-, Gewichtsund Verrechnungsvermerken begegnen

6.2.3 Teil eines Wertstempels auf der Klappe
Wir reihen diese Abart deshalb in die Gruppe zweiten Grades ein, weil der Arbeiter die Maschine zu früh auslöste, was zur Folge hatte, dass der Wertstempel teilweise auf der Klappe ausgeprägt wurde. Natürlich bemerkte der Arbeiter seinen Fehler und wiederholte den Prägevorgang an der dafür vorgesehenen Stelle auf der Briefvorderseite. Bis jetzt sind uns drei gebrauchte Umschläge bekannt und zwar: ein 5-RappenTübli Zumstein Nr. 4 und zwei 10-Rappen-Briefe Zumstein Nr. 5.

Abbildung zu Punkt 6.2.2. IQ-Rappen-Albino (Z 1311) mit 3x10 Rappen Sitzende Helvetia als Zusatzfrankatur 1874 nach Italien. Weil das Italien-Porto nur 30 Rappen betrug, ist anzunehmen, dass das IQ-Rappen-Albino-Porto nicht Bewertet wurde.

Abbildung zu Punkt 6.2.3 Teil eines zweiten Wertstempels auf der Klappe von Tüblibrief Nr. 5.

6.2.4 "Auge"
Diese Bezeichnung stammt von mir, weil meiner Meinung nach die Charakteristik dieser Abart dadurch am besten ausgedrückt wird. Der Arbeiter legte den Rohling so in die Monogrammpresse ein, dass sich der Klappenteil nach oben umbog. Zu diesem Zeitpunkt war aber bereits der Prägevorgang ausgelöst, und die Matrize senkte sich. Dadurch entstand entlang der gedachten Mittellinie des "Auges" eine spiegelbildliche Prägung. Natürlich erkannte der Arbeiter seinen Fehler und wiederholte den Prägevorgang an der Aussenseite.

Abbildung zu Punkt 6.2.4 Zumstein Nr. 14 mit teilweise spiegelbildlicher Prägung auf der Innenseite des Umschlages. Durch den zweimaligen Maschinenabklatsch entsteht ein vorerst verwirrendes Bild, welches sich jedoch mit Kenntnis des Produktionsablaufes leicht erklären lässt.

Abbildung zu Punkt 6.3 Umschlag Nr. 16 mit einem Teil eines zweiten Wertstempels auf der Klappe als Albino mit Abklatsch ausgebildet.

6.3 Fehler 3. Grades
Es existiert ein Umschlag Nr. 16 (mit Kontrollzeichen 5), welcher auf der Klappe einen zweiten Teil des Wertstempels trägt, allerdings ist dieser als Albino ausgeprägt. Wie bereits weiter oben erwähnt, setzt ein Fehler 3. Grades zwei Fehler im Produktionsablauf voraus. Der erste Fehler des Arbeiters war nun der, dass er zwei Rohlinge gleichzeitig in die Monogrammpresse einschob.
Der zweite Fehler war das zu frühe Auslösen für das Senken der Matrize, weshalb ein Teil eines zweiten Wertstempels auf beiden Rohlingen geprägt wurde. Es muss daher ein Umschlag existieren, bei dem dieser zweite Wertstempelteil in Farbe sichtbar ist. Hoffentlich hat ihn der damalige Empfänger nicht weggeworfen!

7. Fehler beim Faltvorgang
7. l Verkehrt gefalteter Umschlag
Es existiert ein Umschlag Zumstein Nr. 13, der verkehrt gefaltet wurde. Wir dürfen hier keine Verwechslung mit zweifach verwendeten, also nachträglich umgefalteten Umschlägen zulassen. Wahrscheinlich hat sich der Arbeiter vom stark ausgeprägten Abklatsch beeinflussen lassen und hat gar nicht bemerkt, dass der Wertstempel spiegelbildlich war. Ausserdem war die Zeit, wo Wertstempel auf der rechten Umschlagseite angebracht waren, schon drei Jahre vorbei.

7.2 Zwei Umschläge ineinander gefaltet
Der wahrscheinlich übermüdete Arbeiter hat zwei Rohlinge vom Stapel genommen und gefaltet. Obwohl dieser Umschlag natürlich doppelt so dick wie ein normaler Tübli ist, hat er doch alle Kontrollen passiert. In der Folge hat man diesen Umschlag verwendet und beide Klappen zugeklebt. Natürlich ist der innenliegende Briefumschlag unbenutzt geblieben. Der Habitus dieses Briefes schliesst eine nachträgliche Manipulation aus.

Abbildung zu Punkt 7.1 Verkehrt gefalteter Umschlag mit Abklatsch auf der rechten Seite (Zumstein Nr. 13). Die Innenseite ist weder beschrieben noch gestempelt.

Alle in diesem Bericht beschriebenen Fehler im Produktionsablauf verdeutlichen uns die Vielfältigkeit dieses Sammel-Gebietes. Ganz besonders würde es mich freuen, von Ihnen Meldungen über bereits bekannte und neue Fehler zu erhalten. Senden Sie mir deshalb eine Fotokopie mit möglichst genauen Angaben. Ausserdem möchte ich Sie fragen, ob Sie einen TüblibriefNr. 17h besitzen?
Natürlich würde mich auch Ihre Reaktion auf meine Theorie interessieren, wonach eine Produktionsteilung zwischen Jouvet & Gassmann sowie der Eidg. Münze bestand.

BERND VOGEL A-2000 Stockerau Postfach 65

Quellenverzeichnis: 1. Zumstein Ganzsachen-Katalog Schweiz, 6. Auflage 1975 2. Der Ganzsachensammler Juli 1983: "Les filigranes des enveloppes timbrees" 3. Die Ganzsache 2/3/1983: "Schweiz: Die Kontrollzeichen der Briefumschläge 1867-86" 4. Berner Briefmarken Zeitung 4/82 5. Die Ganzsache 1/83: Max Schio, "Die Wertzeicheneindrucke".