Zur Postgeschichte der Rigi (2)
Von Luzern und Zürich aus war der Postund Fahrpostverkehr nach der Rigi in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts schon recht beachtlich. Das Einzugsgebiet weitete sich in den 40er Jahren bis in die Ostschweiz aus, wo St. Gallen auf Januar 1842 die Postpacht vom Schwyzer-Pächter in Ablösung der Zürcherpost übernimmt. Ein halbes Jahr zuvor, am 11. Juni 1841 lesen wir im Waldstätter Boten Nr. 47:
Täglicher Eilwagen-Cours zur Beförderung von Passagiers und deren Gepäcke zwischen Schwyz und Uznach und von und nach dem Fusse des Rigi. . . . Die Unternehmer haben für einen Influenz- Cours . . . von Seewen aus von und nach Lowerz und Goldau gesorgt, so, dass der Reisende, der Morgens in Chur, Pfeffers, Glarus, St. Gallen, Herisau (Heinrichsbad) abgeht, bis 6l/2 Uhr Abends in Einsiedeln und bis 9*/2 Uhr am Fusse des Rigi ankömmt. . . Schwyz und Lachen, den 6. Juni 1841
Die Unternehmer
Es ist bei dieser grossen Reisetätigkeit nicht erstaunlich, dass zu dieser Zeit der erste Stempel von der Rigi auftaucht. (Winkler Nr. 4126, Abb. 1). Winkler setzt seine Gebrauchszeit auf 1849/50 fest,
Abb: 1
doch an der MM-Auktion vom September 1977 war er unter dem Abgangsort Rigi-Kulm vom 16.8.1841 zu sehen. Winkler meint (S. 537), "der Stempel diente für das ganze Rigigebiet und wurde vermutlich auf Rigikulm verwendet". Dem gegenüber steht die Aussage der Kreispostdirektion Luzern, dass der alleinige Name Rigi bis 1873 von der Poststelle Rigi-Kaltbad
verwendet wurde. Das Stempelwerk (Grosses Handbuch der Abstempelungen auf Schweizer Marken 1843 -- 1907) führt zwei ähnliche Stempel unter der Nr. 30/R/66 und 30/R/67 auf, die es eindeutig dem Kanton Luzern und damit Rigi-Kaltbad zuordnet. Hat aber ein so kleiner Postort wie Rigi-Kaltbad, praktisch nur das Kurhaus, gleichzeitig zwei Stempel verwendet, nämlich 1852 — 58 Nr. 30/R/66 und 1854 Nr. 30/R/67? Ist nicht vielmehr anzunehmen, dass der Stempel Wi Nr. 4126 und Nr. 30/R/66 identisch sind, identisch auch mit dem Stempel AW Nr. 160/32 (Abb. 1), der im Stempelwerk wieder Schwyz, also Rigi- Kulm zugewiesen ist (obwohl dort in Gruppe 160 das Stempelwerk mit den Kantonsgebieten sehr grosszügig umgeht, indem auch die drei Kaltbadstempel Schwyz zugewiesen werden!)? Wer hat die nötigen Vergleichsstücke, um diese Frage zu lösen?
Alle bisher erwähnten Stempel von der Rigi, wie weitere Stempel vor der offiziellen Errichtung der eidgenössischen Poststellen sind Hotel-Stempel, wobei zu sagen ist, dass auch die Stempel anderer kleiner Ortschaften ausserhalb des Rigigebietes zu dieser Zeit vor Errichtung der offiziellen Poststellen vielleicht besser mit der Bezeichnung private Orts-Stempel
zu benennen wären. Dem Dorfboten, der sie bisweilen selber herstellen liess, dienten diese Stempel dazu, den Abgangsort festzuhalten, was die Berechnung der Wegstunden und damit die Beförderungstaxe, die ja vom Empfänger bezahlt wurde, belegte, da Absenderangaben auf dem Faltbrief meist nur nach Erbrechen des Siegels zu erkennen waren.
Ein weiterer Hotel-Stempel (Nr. 161/20 blau) von Rigi-Kulm zeigt die Abbildung 2. Dieser Brief, der in Arth den Poststempel am 5. Oktober 1863 erhielt - für einen frühen Rigi-Brief ein spätes Herbstdatum! - ist noch in einer anderen Hinsicht interessant: Absender sind die Hoteliers auf Rigi-Kulm C. und J. Bürgi freres, und adressiert ist der Brief an Tit. Eidgen. Telegraphen Werkstätte in Bern. Am 15. Juli 1867 ist im Hotel Rigi-Kulm das Telegraphenbüro eröffnet worden. Also wurden schon vier Jahre zuvor Korrespondenzen in dieser Angelegenheit gewechselt.
Abb.2
Die Reisenden kamen bis in die 70er Jahre zu FUSS, auf dem Pferd oder getragen in der Sänfte auf die Rigi. Am 23. Mai 1871 wurde die nach Plänen von N. Riggenbach erstellte erste Bergbahn Europas von Vitznau nach Rigi-Staffel eröffnet, 1873 nach Kulm erweitert. 1874 wurde die Bahn von Rigi-Kaltbad nach Rigi- Scheidegg eröffnet. Am 4. Juni 1875 fuhr auch die Bahn Arth-Goldau-Rigi-Staffel/ Kulm. Eine Euphorie in wirtschaftlicher Hinsicht hatte damit begonnen, die heute kaum mehr vorstellbar ist.
Abb. 3
Die Gründung der Gesellschaft Regina Montium (Abb. 3) mag dazu einen kleinen Einblick geben. Sie hat die gigantischen Monster-Hotels auf Kulm, Scheidegg, Frist usw. zu
bauen begonnen — und schon nach einem Jahr Konkurs gemacht!
Mit dieser Bahn-Eröffnungszeit tritt nun auch die eidgenössische Postverwaltung durch die Kreispostdirektion Luzern auf der Rigi in Erscheinung, der ich die folgenden detaillierten Angaben über die Postgeschichte und die Posthalter verdanke.
Rigi-Kaltbad (Kt. Luzern)
Vierzehn Jahre vor der ersten Ausgabe der Telegrafenmarken, 1854, wurde im Grand-Hotel ein Telegrafenbüro eröffnet (nur während des Sommers in Betrieb). 1864 erschienen die ersten Hotelmarken, die mit dem achteckigen Stempel dieses Telegrafenbüros entwertet wurden. Am 22. Juni 1871 wurde in Rigi-Kaltbad als erstem Rigi-Ort ein Postbüro eröffnet. Die Öffnungszeit war vom 1. Juni bis 15. Oktober. Ab 2. November 1890 blieb die Poststelle das ganze Jahr offen, sommers als Büro vom l. Mai bis 31. Oktober, winters als nichtrechnungspflichtige Ablage. Ab 1910 ist die Poststelle das ganze Jahr hindurch als Büro offen.
Posthalter:
1871 Wwe Segesser-Faaden
1873- 1877 Beamte aus Luzern
1878- 1883 Näf Xaver
1890 Segesser Leopold
1893 Sidler Theodor
1894- 1910 Beamte aus Luzern
1910 Furrer Josef
1912 Hüppi Karl
1951 Ritter Armin
Nochmals zurück zu den Hotelpostmarken. Im Zumstein Spezialkatalog findet man S. 701 bei den Hotelmarken von Rigi-Kaltbad den Vermerk: "Zu Frankaturzwecken benutzt bis 1871". Das trifft sich nun genau mit dem Datum der Eröffnung der ersten offiziellen Poststelle auf Rigi-Kaltbad. Wie aber verhält es sich mit den Hotelmarken von RigirKulm (schon Nr. 5: FD 8.VII.80), Rigi-Staffel und dem Vermerk S. 703 bei Rigi-Scheideck: "Zu Frankaturzwecken benützt bis 1881"? Müsste nicht auch hier die Verwendung nach Eröffnung der jeweiligen Bahnen und offiziellen Postablagen zumindest während deren Öffnungszeiten in Frage gestellt werden, zumal Zumstein in der Einleitung S. 698 den Zweck der Hotelmarken so formuliert: Sie "dienten zur Erhebung der Gebühr für die Beförderung der Postsachen zwischen Berghotel und Poststelle oder umgekehrt". Dann würden also heute für — zugegeben, selten anzutreffende — Vignetten auf Auktionen doch recht stolze Preise bezahlt!
© Schweizerische Vereinigung für Postgeschichte / SVPg