A propos Altschweiz: Genfer Gitterstempel und Genfer Rauten

1. Gitterstempel

Immer wieder wurde den Postbeamten durch Kreisschreiben der Oberbehörde in Erinnerung gerufen, die Marken "vollständig" zu entwerten, so dass eine Benutzung der Marken "zum zweiten Male unmöglich wird". Die Kreispostdirektion Genf suchte daher nach einem Stempel, welcher die Marken "wirklich bedeckte". Was lag näher, als von Frankreich den dort schon seit geraumer Zeit in Gebrauch stehenden Linien- oder Gitterstempel einzuführen. Offensichtlich hat das Genfer Beispiel mit dem aus Frankreich importierten Gitterstempel bei der Oberbehörde in Bern Anklang gefunden; denn daraus "entwickelte" sich der für die ganze Schweiz ab August 1851 gültige Rautenstempel.

Die Herkunft des Gitterstempels aus Frankreich veranschaulicht der Brief von Ferney (France) nach Genf vom 9.3. 1850, wobei der Beleg mit einer französischen Ceres-Marke und mit einem Genfer "Hellen Adler" frankiert wurde und beide Marken mit einem französischen, nicht genferischen Gitterstempel entwertet wurden; der Brief musste mit 15 CS austaxiert werden, weil diese Frankatur ungültig war (Abb.). Genf hatte im März 1850 noch keine Gitterstempel, sondern entwertete die Marken am 9.3.1850 mit Rosettenstempel.

Der aus Frankreich übernommene Gitterstempel kam im Genfer Stadtpostbureau erst ab Freitag, den 17. Jan. 1851 zum Gebrauch, wie der Beleg an Madame Jarrys, rue des Granges zeigt (Abb.). Diese Stempelform wurde in Genf fast sieben Monate gebraucht. Als "Letzttag" darf wohl der Faltbrief an Soret-Odier, Lancy, gelten: 3.8.1851, ein "Sonntags"-

Brief (Abb. S. 15).

Es wird jedoch behauptet, dass der Letzttag für den Gitterstempel in Genf Mittwoch, der 6. Aug. 1851 sei. Diesen Beleg konnte ich nicht einsehen. Gibt es den Gitterstempel nur in Schwarz? Nein: Es sind auch mindestens 3 lose Waadt 5 mit rotem Gitterstempel bekannt. Da ich bisher noch keinen einwandfreien Brief mit rotem Gitter festhalten konnte, ist der Herkunftsort noch "unbekannt". Es sollen rote Gitter aus Genf bekannt sein, jedoch auf Rayon Marken, welche hier nicht erfasst wurden. Ebenso unbekannt sind Gitterstempel von Chene. Von Carouge konnte ich nur einen Beleg beobachten: Brief an Lambert Odier, Onex mit einem Genfer Ausschnitt (Abb.). Ist hier Alles hieb- und stichfest? Die folgende Zusammenstellung möchte mithelfen, etwas Klarheit in die Bewertung des schwarzen Gitterstempels von Genf auf den verschiedenen Marken zu bringen. Auf sehr vielen in- und ausländischen Auktionen wurden beobachtet und registriert:

Doppelgenf: keinmal
½Doppelgenf links:1x lose, 1 x(rep.) auf Brief
½Doppelgenfrechts: 1x
Kleiner Adler: 2x lose,1xBriefstück,l x auf Brief
Heller Adler: 3 x lose, 2 x Briefstück, 5 x auf Brief
Dunkler Adler: 11 x lose, 1x Briefstück, 4 x auf Brief
Umschlag: 4 x
Ausschnitt: 10 x lose, 9 x Brief stück, 21 x auf Brief
Waadt 4: 22 x lose, 2 x Briefstück
Waadt 5: 266 x lose, 68 x Briefstück, 97 x auf Brief
Neuenburg: keinmal; denn sie erschien wahrscheinlich erst am 11.8.51. Das macht total 537 Gitterstempel-Belegstücke, woraus ersichtlich ist, dass der Stempel Nr. 101 (neu 5/2) auf den ½ Doppelgenf, auf dem Kleinen Adler und auf dem ganzen Umschlag sehr selten anzutreffen ist.

Doch was soll man von den folgenden Belegen mit schwarzen Gitterstempeln und "merkwürdigen" Daten halten?
Geneve 8 JANV 50 10'/2 M Waadt 4 an Anna Monnier Geneve: Sperati- Fälschung
Geneve 20 JANV 50 2?S zwei Waadt 4 an Jules Thevenard Chancy: SperatiFälschung
Geneve 6 AVRI50 8 M Waadt 4, Briefstück Monsieur
Geneve 29 JUIL 50 10 V2 M Ausschnitt an Madame Gelfin Geneve
Geneve 2 JANV 51 8 V 2 S Ausschnitt an Grand rasselet? M" Epicier, place de ? Geneve
Geneve 24 AVRI 51 8'/2 S RAYON II und Waadt 5 an Heinrich Merian-Vondermühll Basel, worüber Alain von der Weid in SBZ 1973/12 orientierte.

Grösste Vorsicht ist am Platze, denn der Fälscher Sperati in Frankreich hatte genügend Material von französischen Linienstempeln zur Verfügung, um damit auch die Genfer-Marken zu "verzaubern".

2. Rauten im Postkreis Genf
Das Postdepartement informierte am 1. Aug. 1851 die Kreispostdirektionen: "Wir haben die Einführung gleichförmiger Stempel für die Entwerthung der BriefFrankomarken angemessen erachtet. Vom Empfange an sind diese (rautenförmigen) Entwerthungsstempel. . . für die Bedruckung der Frankomarken (mit schwarzer Farbe) zum Behufs ihrer Entwertung ausschliesslich zu verwenden. . ".
Daraus geht klar hervor, dass die Oberbehörde den Kreispostdirektionen eine Anzahl Rautenstempel zusandte, welche von den Postämtern nach "Empfang" ausschliesslich zu verwenden waren. In der Annahme, dass obige Weisung Freitag den 1. Aug. 1851 zum Versand gelangte, konnten die Postämter frühestens Sonntag den 3. Aug. diese Stempel erhalten haben.
Wie bereits oben gesagt, war im Stadtpostbureau Genf seit 17. Jan. 1851 der Gitterstempel in Gebrauch. Um nicht einen ausländischen Stempel für die ganze Schweiz zu übernehmen, wurde der französische Gitterstempel zu einem schweizerischen Rautenstempel "weiter entwickelt", welcher noch mehr "Striche" aufwies und damit eine noch grössere Sicherheit bot, d.h. eine Wiederverwendung einer bereits entwerteten Marke verunmöglichte.

Es wird behauptet, dass der Gitterstempel bis 6. Aug. 1851 verwendet wurde. Damit wäre es möglich, dass in Genf bereits am 7. Aug. 1851 der Rautenstempel eingeführt wurde. Und tatsächlich wurde für diesen Ersttag ein Beleg entdeckt. Die Raute kann selbstverständlich auch nach 1. Okt. 1854 beobachtet werden; denn dieser Stempel wurde erst 1857 zurückgezogen.
Das Postamtsblatt 1851/142 schrieb ausdrücklich "schwarze Farbe" vor und erklärte die "Anwendung anderer Farbe" als "nicht zulässig". Sogar ein "Rezept für die Verfertigung der schwarzen Stempelfarbe" wurde angegeben: "l Theil Pariserschwarz und 16 Theile sehr schwach gebranntes Leinöl". Jedenfalls stempelte Genf bis 6. Juli 1852 (Abb.) mit schwarzer Farbe, doch ab 20. Juli 1852 (Abb.) mit blauer Farbe. Zwischen diesen Daten fand in Genf der Farbwechsel statt, sehr wahrscheinlich am 13. Juli 52. Die blaue Raute von Genf konnte auch noch am 28. Sept. 1854 beobachtet werden.


Das Postamt in Genf verwendete jedoch nicht wie die meisten anderen Poststellen einen Rautenstempel mit 15 Linien, sondern eine Raute mit nur 13 Barren. Doch was muss man dann von einer 15linigen schwarzen Raute auf dem Brief an Claya Beaumont, Petit Sacconnex, mit dem schwarzen Abgangsstempel Genf 12. Aug. 1851 halten? (Abb.) Hatte vielleicht Genf auch15linige Rauten?
Fast 1500 Belege wurden statistisch nach schwarzen und blauen Rauten erfasst. Mit Ausnahme der Doppelgenf gibt es den Rautenstempel auf allen Genfer Kantonalmarken und allen von der Kreispostdirektion Genf herausgegebenen Briefmarken. Diese aussagekräftige Statistik möchte einmal mit den "merkwürdigen Seltenheitsbewertungen" aufräumen.


Obige Zusammenstellung wurde in 50- jähriger Beobachtung des Auktionsmarktes erstellt, wobei es sich selbstverständlich stets um verschiedene Marken handelt: Eine bestimmte Neuenburg z.B., welche auf mehreren Auktionen zum Ausruf gelangte, wurde somit nur einmal gezählt. Bei den blauen Rauten stösst man in den Beschreibungen der Auktionatoren auch auf "grünlich, grünlichblau", obwohl es in Genf kein grünes Stempelkissen gab.
Doch rote Rauten gibt es. Hier das etwas "fehlerhafte" Waadt 5-Paar mit roter 14- liniger (?) Raute sowie eine Neuenburg ebenfalls mit Hliniger (?) roter Raute (Abb. S. 18). Bei welcher Poststelle war die rote Raute in Gebrauch? Vermutlich in Nyon.

Auch das Genfer Postbureau Chene verfügte über einen Rautenstempel und zwar mit 15 Strichen. Doch einwandfreie Briefe mit Rauten aus Chene sind selten. Es dürften kaum noch 15 Briefstücke und Briefe vorhanden sein. Die schwarze Raute von Chene konnte ab 5. Sept. 1851 beobachtet werden (Abb.); blaue Rauten konnte ich von Chene bisher noch nicht registrieren. Schwarze Rauten von Chene sind auf Genfer Ausschnitt, Waadt 5 und Neuenburg anzutreffen.

Rautenstempel aus Carouge sind noch seltener: Vielleicht 10 Belege, beobachtet auf Waadt 5 und Neuenburg, ab 9. Mai 1852 in schwarzer Farbe (Abb.) und ab 11. Okt. 1852 in Blau. (Wurde die blaue Raute in Carouge auf Marken wirklich schon am 11. Okt. 1852 verwendet?) Auch die Raute aus Carouge weist 15 Barren auf.

Doch was soll man von den verschiedenen Verfälschungen und Fälschungen halten, die Rautenstempel vor August 1851 aufweisen, wie z.B.: 20. Juli 50 Genf Ausschnitt an Mme Pictet dela Rive Genf, 6. Januar 51 Genf Ausschnitt an Mr. Boissier au Rivage route de Suisse, 3. April 51 Genf Neuenburg an Mr. Jacques Guye Genf, 5. Juni 51 Genf Neuenburg Mlle Appia Jussy, 18. Juli 51 Genf Waadt 4 auf Briefstück usw, etc. Grösste Vorsicht auch vor Sperati-Fälschungen, wie z.B. vom 10. November 51 Neuenburg an Mlle Albertine Fontaine Genf oder dem waagrechten Dreierstreifen Neuenburg mit Rautenstempeln.