Flugpost aus Liechtenstein im zweiten Weltkrieg nach Amerika (VI)

(Ein Beitrag zur Postgeschichte von Liechtenstein)
Der am 25.VII.1941 von Balzers via Genf —Lissabon und New York nach Montreal in Canada aufgegebene Flugpostbrief (Abb. 14) zeigt eigentümlicherweise keinerlei Zensurbehandlung, weder britische von den Bermudas, über die damals alle Flüge geleitet wurden, noch eine kanadische.

Abb. 15 schliesslich zeigt einen in Vaduz am 1. August 1941 aufgegebenen Einschreibebrief, bei dem der die Sendung behandelnde Beamte in Buchs zuerst als Leitvermerk "Chiasso 2-Rom-Lissabon" eintrug, obwohl diese Linie lt. PTT Amtsblatt ausschliesslich auf Verlangen des Absenders gewählt werden sollte. Bei der Weiterleitung erkannte man den Fehler und strich diesen Leitvermerk wieder, denn der Absender hatte "Zürich—München (Swissair)-Lissabon (Deutsche Lufthansa)-New York (Clipper Pan American Airways)" ausdrücklich am Kopf des Umschlages vorgeschrieben. Dieser Brief traf — nach Kontrolle durch die britische Zensur auf den Bermudas — bereits am 15. August 1941 in New York ein. Es ist eigentlich erstaunlich, dass die Luftpost von Liechtenstein nach USA mitten im Kriege und angesichts nicht unbeträchtlicher Schwierigkeiten so reibungslos funktionierte und Briefe bereits nach 2 Wochen ihren Empfänger erreichten.



Ein weiterer Beleg (Abb. 16) hat sogar den Atlantik in beiden Richtungen überquert. Der von einem Schweizer Absender am 1.IX.1941 in Vaduz aufgegebene Einschreibe-Flugpostbrief nach Carbonado im US-Staate Washington wäre bei 7 gr. Gewicht korrekt mit 2 Fr. freizumachen gewesen. Der Absender verwendete jedoch eine 10 Fr.-Marke "Madonna von Dux" (ZU 150). Mit Transitstempel Buchs vom 2.IX.41 traf der Beleg via Chiasso 2 —Rom-Lissabon und Bermudas (brit. Zensur) am 16.9.1941 in New York und am 19.9.1941 in Carbonado ein, wo der Brief sofort wieder zurückgeschickt wurde. Am 22.9.1941 war er erneut in New York, von wo er jedoch offensichtlich nicht per Clipper, sondern per Schiffspost zurückgeleitet wurde, denn er traf erst am 4. November 1941 in der Schweiz ein - nachdem er mitten im Krieg zum zweiten Mal den Atlantik überquert hatte.
Über die transatlantische Luftpost 1941- 1942 via die Bermuda-Inseln hat Horst Augustinovic im Heft Nr. 62 des Postal History Journal vom Oktober 1982, Seite 35 - 37, interessante Einzelheiten veröffentlicht. Entgegen den Angaben im Wochenblatt des Britischen Luftfahrtministeriums wurde der Nordatlantik Dienst der Pan American Airways nicht eingestellt infolge des japanischen Überfalls auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 und der darauf folgenden Ausweitung des Kriegsgeschehens, sondern mit einigen Änderungen fortgeführt. Bei den ersten beiden Clipper-Flügen von Europa nach Amerika im Dezember 1941 wurde noch die Route über Horta (Azoren) gewählt, während die folgenden Flüge dieses Winters über Bolama und Trinidad (Südroute) mit einer weiteren regelmässigen Zwischenstation auf den Bermudas erfolgten.

Abb. 17 (Vorderseite)

Abb. 11 {Rückseite)

Noch unter dem Eindruck des Schocks von Pearl Harbor erhielt der gerade Lissabon verlassende Dixie-Clipper die Anweisung, von Bolama aus non-stop nach Hamilton/Bermudas zu fliegen — eine Entfernung von rund 2.700 Meilen — und am gleichen Tag (9.12.1941) noch bis New York weiterzufliegen. Die weiter registrierten Flüge der drei PAA-Clipper "Yankee", "Atlantic" und "Dixie" im Dezember 1941 und Januar 1942 gingen alle über die Südroute, wobei zwischen Trinidad und New York immer in Hamilton Station gemacht und die Post der Zensur übergeben wurde.
In diese Periode fällt auch der auf Abb. 17 (Vorder- und Rückseite) gezeigte Beleg mit den drei englischen WeihnachtsVignetten aus dem Jahre 1940. Dieser vorder- und rückseitig mit zusammen 15.80 Fr. freigemachte Einschreibebrief für ein Gewicht von 95/100 Gramm (Auslandsbrief 1.50 Sfr., Einschreibegebühr 0.30 Sfrs. und Flugzuschlag 20 x 0.70 = 14.— Sfrs.) wurde in Vaduz am 22. Dezember 1941 aufgegeben und in Buchs mit dem Leitvermerk "via Genf l" versehen. Aufgrund der Tabelle des Herrn Augustinovic ist anzunehmen, dass dieser Beleg wahrscheinlich mit einem der beiden Clipper "Atlantic" oder "Dixie", die beide auf der Südroute von Trinidad her am 11.1.1942 Hamilton erreichten, eintraf und von der Britischen Zensur mit der orangegelben Verschlussetikette "EXAMINED BY CENSOR" versehen wurde, welche die Kennzeichnung "P. & C.B." trägt
Die Abkürzung bedeutet "Press & Censorship Bureau". Nach Angaben des Herrn Augustinovic ist dieser Verschlussstreifen recht selten und bisher nur auf Briefen an Zeitungen und Verlage festgestellt worden. Nach seiner Ansicht ist dieses Zensurhilfsmittel nur in England, aber nicht auf den Bermudas, eingesetzt worden. Angaben über dieses "P. &C.B." sind auch in der angelsächsischen Spezialliteratur sehr selten (CCSG Bulletin, Vol. 2, Seite 32 vom April 1975 und Vol. 6, Seite 42, vom Februar 1979), worin eigentlich nur einige wenige aufgetauchte Verwendungsbeispiele erläutert werden.
Es könnte sein, dass die Transatlantikpost nach dem 7.12.1941 und basierend auf der zitierten Meldung des "Air Ministry Weekly Summary", wonach die Pan Am nicht mehr die Transatlantikroute fliegen würde, über England geleitet und dort zensiert wurde. Gemäss der Tabelle des Herrn Augustinovic kam am 8.1.1942 der Britische Clipper "Bristol" auf seinem Flug von Trinidad nach USA in Hamilton an; jedoch ist unbekannt, ob er aus England Post oder gar Transitpost mitbeförderte.
Der Weitertransport des Briefes lt. Abb. 17 nach New York müsste mit dem "Atlantic" Clipper erfolgt sein, der am 24.1.1942 von Trinidad kommend in Hamilton Station machte und am gleichen Tag westwärts weiterflog. Da sich die beiden New Yorker Einschreibe-Ankunftstempel vom 25.1.1942 unter der zweiten Zensurbanderole "EXAMINED BY 3856" befinden, kann davon ausgegangen werden, dass in dieser Zeit zusätzlich zur britischen noch die amerikanische Zensur bei der Transatlantikpost neutraler Staaten tätig wurde.
Die italienische Transatlantik-Fluglinie (LATI) müsste, wie bereits beschrieben, nach dem 4. Dezember 1941 ihren Flugbetrieb nach Brasilien einstellen und flog zeitweise (März und April 1942) noch einen Flugverkehr von Rom via Sevilla nach Lissabon. Die Ala Littoria flogen das ganze Jahr l bis 2 mal wöchentlich die Strecke Rom — Barcelona — Madrid — Lissabon, ferner ab Oktober 1942 zusätzlich einmal wöchentlich von Rom mit Zwischenlandungen nach Barcelona, von wo aus Fluganschluss mit der spanischen Gesellschaft Iberia nach Lissabon bestand.
Die Deutsche Lufthansa flog bis November 1942, d.h. bis zur Besetzung des südlichen Frankreichs, von Berlin über Stuttgart nach Barcelona — Madrid — Lissabon. Ab Dezember 1942 wurde die Strecke Berlin Barcelona eingestellt und nur noch innerhalb der iberischen Halbinsel von Barcelona nach Lissabon geflogen.
Das Jahr 194 2 brachte die grösste Ausdehnung des deutschen Herrschaftsbereiches, aber mit den Schlachten von Stalingrad und El Alamein zeichnete sich die Wende ab. Durch den Kriegsverlauf in Nordafrika wurde das Mittelmeer immer stärker zur Kriegszone. Am 11. November 1942 besetzte das Deutsche Reich in einer Blitzaktion das südliche Frankreich, was beträchtliche Auswirkungen auf den Postverkehr hatte.
Der Transatlantikverkehr wickelte sich auf verschiedenen Routen ab. Die Linie Lissabon — Horta — Bermuda — New York wurde lt. Schweizer PTT-Veröffentlichungen von Juni bis Oktober oder November 1942 ungefähr zweimal monatlich beflogen. Als Hauptroute fungierte jetzt die Süd- oder Winterroute Lissabon - Bolama — Port of Spain — San Juan (Puerto Rico) — New York, wie es in den postamtlichen Ankündigungen hiess.
Es müsste daher auf der in der Zeit von Januar bis Mai 1942 und von Dezember 1942 bis Juni 1943 beförderten Transatlantikpost die britische Zensur in Trinidad erfolgt sein. Bei einer vom englischen Sammler L.M.C. Dutton in den britischen Air Mail News veröffentlichten Arbeit über die "WW2 Trans-Atlantic Air Routes - U.S.A. & Europe, Part 3" wird diese Frage untersucht und dabei festgestellt, dass die überwiegende Zahl der existierenden Belege, die in westlicher Richtung über den Atlantik befördert wurden, nur die Zensurmerkmale der Bermudas - nicht dagegen von Trinidad -- tragen.

Abb. 18

Mr. Dutton fragte sich daraufhin, ob die hier von der eidgenössischen PTT veröffentlichten Streckenangaben, welche auf Weltpostvereinsmitteilungen beruhten, unkorrekt seien, oder die bisherigen Erkenntnisse über die britische Zensur nicht hinreichend gesichert seien.
Es ist das Verdienst der Arbeiten des Herrn Horst Augustinovic, der die entsprechenden Archivunterlagen über den Transatlantik-Flugverkehr auf den Bermudas durcharbeitet und hierzu festgestellt hat, dass die Clipper in den angegebenen Zeiträumen von Trinidad kommend nicht in San Juan auf Puerto Rico, sondern in Hamilton (Bermudas) Station auf dem Weiterflug nach New York machten.
Abb. 18 zeigt einen der äusserst seltenen Luftpostbelege von Liechtenstein nach Einstellung des LATI-Flugverkehrs nach Südamerika. Der am 5. Februar 1942 in Schaan aufgegebene Luftpostbrief nach Cochabamba in Bolivien ist via Genf l und Lissabon nach New York geflogen worden. (Briefporto 0.30 + FlugzuschJag für südliches Südamerika 1.50 Sfrs. pro 5 gr). Dieser Brief zeigt den englischen Zensurverschlussstreifen mit den Kennbuchstaben "I.C." (handschriftlich), Empire Code für die Bermudas, wie dies auf den nun folgenden Belegen regelmässig anzutreffen sein wird. Der Brief traf, lt. Eingangsstempel des dortigen Luftpostamtes, am 18. März 1942 an seinem Bestimmungsort in Bolivien ein.

Fortsetzung folgt