A propos Altschweiz: Carouge und Chene
1. Carouge
Die einstmals sardinische Nachbarstadt Carouge, nur durch die Arve von Genf getrennt, war 1850 mit 4403 Einwohnern die zweitgrösste Gemeinde des Kantons Genf. Der Bundesrat wählte am 1. Dez. 1849 (Jean) Andre Velin mit einem Jahresgehalt von 800 Fr zum Posthalter von Carouge. Damit war auch in Carouge postalisch alles eidgenössisch.
Welche Genfer Kantonalmarken und welche von der Kreispostdirektion Genf herausgegebenen Marken wurden aus Carouge bekannt? Total vielleicht 60 Belege. Diese in strengster Kürze vorzustellen, verlangte jahrzehntelanges Forschen: Doppelgenf: Waagrechtes Interverti mit roter Rosette und rotem Zweikreisstempel Carouge 25.1.45 (Schuck, Genf). Ob auch der Brief an J.L. Brot mit roter Rosette und rotem Zweikreisstempel Carouge 28.12.?? hieb- und stichfest ist, entzieht sich meiner Kenntnis (Burrus-Auktion 11'000 Fr).
½Doppelgenf: Linke Hälfte auf kleinem Briefstück, rote Rosette, roter Zweikreisstempel Carouge 23.9.??. Rechte Hälfte bisher unbekannt.
Kleiner Adler: 3mal als lose Marken, wobei Herkunft bei l Beleg unsicher, dazu 4 Briefstücke und 2 Briefe (13.5. 47 und 21.5.51).
Heuer Adler: 2mal als lose Marken (l mal nicht einwandfrei), dazu 4 Briefstücke und 3 Briefe (21.8.47, 8.1.48 und 2.2.50 an Henry als waagrechtes Paar, wofür wohl eine Nachprüfung am Platze)
Dunkler Adler: Sehr selten auf einwandfreien Carouge-Belegen; total vielleicht 5 mal, darunter Brief 21.2.51 schwarze Rosette 5 nach Genf.
Genfer Umschlag: Bisher nicht registriert. Der "Beleg" vom 25.6.51 ist eine Fälschung.
Genfer Ausschnitt: Auf Brief noch nicht "entdeckt"; Brief 30.7.50 an Audedoud ist eine Fälschung. Auf Briefstükken nur 3mal beobachtet, darunter mit Daten 15.7.51 (Lambert-Odier, Onex) und 23.7.51.
Waadt 4: Gibt es solche aus Carouge? Nach George Fulpius ja.
Waadt 5: Vielleicht noch 20 verschiedene Briefstücke und Briefe, eindeutig aus Carouge stammend; dazu sehr wenige lose Stücke, welche nicht immer herkunftsmässig einwandfrei sind.
Neuenburg: Kaum zu finden, vermutlich nur 2 Belege (Abb. 9.5.52 Patry ä la Gradelle, Chene).
Doch welche Stempel hatte J. Andre Velin als Posthalter in Carouge zur Verfügung? Er entwertete die Marken vorschriftsmässig kräftig, doch sein Stempelkissen dürfte hinsichtlich Sauberkeit zu wünschen übrig gelassen haben. Aus diesem Grund ist es nicht immer leicht, die Rosetten-Nummern und auch die Jahreszahlen zu bestimmen oder zu entziffern. Doch mit an Sicherheit grenzender Wahscheinlichkeit darf angenommen werden, dass Carouge nur über die beiden abgebildeten Rosetten verfügte, d.h. Nr. 2 und Nr. 6.
Rote Rosette Nr. 2: Am häufigsten.
Als Aufgabedaten wurden notiert: 25.1. 45, 13.5.47, 21.8.47, 8.1.48, 27.1. 487,9.5.48,9.7.48,9.12.48.
Rosette Nr. 3: Nicht einwandfrei gesichert.
Rote Rosette Nr. 5: Nicht einwandfrei gesichert.
Schwarze Rosette Nr. 6: Seltener als Rosette 2. Als gesicherte Daten registriert: 13.1.51,25.1.51,21.2.51 (Abb.), 30.5.51, 5?6?51?, 20.7.51, 23.7.51, 30.7.51.
Rote Rosette Nr. 6: Brief vom 3?6?50 an Js. Chaba?, rue JJ. Rousseau, Geneve; Nachprüfung?
Gitter: Brief an Lambert-Odier, Onex, vom 15.7.50; Nachprüfung?
Raute: Carouge verfügte über eine Raute mit 15 Linien, im Gegensatz zur Stadt Genf mit 131iniger Raute. Schwarze Raute von Carouge 3mal notiert, u.a. 11.10.51 und 9.5.52 (Abb.); blaue Raute 3mal registriert: 11.10.52, 18.7. 53,27.5.54.
Ortsstempel: 3mal rot auf Kleinem Adler, l mal auf Hellem Adler, l mal auf Waadt 5; Stempel: C(ant)ON DE GENEVE (Zweikreis).
PP im Kreis: In Rot l mal auf Kleinem Adler (lose) und l mal auf Hellem Adler (lose); stammen diese wirklich aus Carouge?
Ortsstempel neben den Marken: Doppelkreis in Rot bis ? Juni 49; in Schwarz ab? 21.2.51. Einkreis meistens in Blau ab 17.6.52.
Eine Frage: Warum findet man nach 9.3. 1849 bis 2. oder 3.6.1850 keine einwandfreien Briefe von Carouge, abgesehen vom "Beleg" Henry mit waagrechtem Paar Heller Adler vom 2.2.1850?
2. Chene
Das Genfer "Eichen"-Dorf, Heimatort von Louis Favre, dem Erbauer des Gotthardtunnels, hatte schon seit 1815 einen Poststempel CHESNE, welcher eine Postablage vermuten lässt. Chesne-Stempel sind jedoch nur bis 1830 bekannt. Wahrscheinlich wurde diese Postablage später aufgehoben, um in der "philatelistischen" Zeit als Postbureau eröffnet zu werden. Am 1. Dez. 1849 ernannte der Bundesrat Louis Grenier jun. mit einer Jahresbesoldung von 250 Fr zum Posthalter von Chene (Bundesblatt 1849/53, 1852/16). Chene bestand 1850 aus den 2 politischen Gemeinden Chene-Thonex und Chene Bourg, später aus den Gemeinden Chene Bougeries und Chene-Bourg, und hatte 1860 fast 3000 Einwohner in ca. 390 Wohnhäusern. Diese Poststelle hatte bis Herbst 1854 drei verschiedene Poststempel: Ortsstempel Zweikreis mit vierstelliger Jahreszahl und Angabe Matin und Soir (Nr. 6037), ferner PD-Stempel im Kreis und ab 1851 auch Rautenstempel.
Genfer Kantonal- oder Genfer Kreispostmarken mit vollem Ortsstempel Chene Nr. 6037 sind grösste Raritäten. Untenstehend ein Genfer Ausschnitt mit diesem Stempel vom 20. Febr. 1850 (Fehllesung?: 20. Jan.?) auf einem Brief an
Colliard in Chene-Thonex. Doch ist auch ein Brief von Chene mit blauem PD im Kreis und blauem Ortsstempel als Waadt4-Beleg vom 20. Jan. 1850 vorhanden. Ferner ist ein Brief vom 21. Juni 1850 mit vollem Ortsstempel auf einer Waadt 5 bekannt an den Pasteur Jaquet in Genf, wobei nicht an das heute aufgehobene Gefängnis St. Antoine zu denken ist, sondern an die gleichnamige Promenade. Verauktioniert wurde auch eine lose Waadt 5 mit einem kaum entzifferbaren Ortsstempel. Vorsicht aber vor einem Chene-Briefstück mit einer Waadt 5 vom 7. April 1850 (Sonntag). Gewarnt sei auch vor den Falschstempeln von Fournier mit zwei- und vierstelligen Jahreszahlen: 3.3. 50, 28.5.1851 oder abgeänderten Daten. Die von Fournier "fabrizierten" Chene Stempel weisen MATIN, nie SOIR aus.
Der PD-Stempel von Chene ist ein Kapitel für sich. Um es gleich vorweg zu nehmen: Schwarze PD sind seltener als die blauen; 12 blaue gegen 7 schwarze. Das blaue PD konnte vom 20. Jan. 1850 bis 29. Sept. 1850 festgehalten werden. Der Übergang von Blau zu Schwarz dürfte in Chene vielleicht anfangs Februar 1851 erfolgt sein, weil ein Briefstück mit "blauschwarzem" PD vom 4. Februar 1851 bekannt ist. Jedenfalls ab 9. Juni 1851 bis 9. Aug. 1851 wurde mit schwarzen PD gestempelt. Auf losen Marken kann der Nachweis für PD aus Chene nicht erbracht werden, trotz gegenteiligen Meinungen. Doch auf welchen Marken sind PD aus Chene nachweisbar: 3mal auf Genfer Ausschnitt (blau 21.6.50 Abb.; 2.8.50 blau, darüber roter Einkreisstempel von Genf 3.8.50, neben dem Ausschnitt blauer Ortsstempel Chene 2.8.50; schwarz 20.6.51, im Postmuseum); 4mal auf Waadt 4 (22.1.50, 30.3.50, 25.5.50 Abb., 11.12.50 alle blau), 12 mal auf Waadt 5 (6 mal blau vom 22.1.50 bis 29.9.50, 6mal schwarz vom 9.6.51 bis 9.8.51). Vorsicht: 22.11.50 schwarz und 1.10.51 blau!

Und der Rautenstempel aus Chene? Eine heikle Frage: Blau oder schwarz? Vorerst die Feststellung: Carouge und Chene hatten Rautenstempel mit 15 Strichen, während Genf mit ISliniger Raute entwertete. Das Postdepartement informierte am 1. Aug. 1851 alle Kreispostdirektionen, dass rautenförmige Stempel eingeführt werden, womit die Marken "ausschliesslich in schwarzer Farbe" zu entwerten seien. Glauben Sie an die Echtheit eines Chene-"Beleges" mit Kleinem Adler, gestempelt mit blauer Raute? Ich nicht. Auch das Briefstück mit Dunklem Adler aus Chene mit Raute sollte eine strenge Nachprüfung bestehen. Ein Genfer Ausschnitt mit schwarzer Raute aus Chene vom 26. Mai 1853 wurde mit Attest verauktioniert. Wie steht es mit der Raute auf Waadt 5 vom 17 SEPT aus Chene? Dazu sind noch 3 Chene-Belege mit schwarzen Rauten auf Waadt 5 zu melden. Bei den Neuenburg wird es "klarer": Ab 5. Sept. 1851 (Abb.) maximal 10 Belege mit schwarzen 15 strichigen Rauten einwandfrei aus Chene stammend. Wer zeigt einmal eine Neuenburg aus Chene mit blauer Raute? Warum gibt es keine Belege aus Chene mit Linien- oder Gitterstempel?