Bayern-Briefe nach Übersee aus der Kreuzerzeit 1849— 1875
Der Kenner dieses Gebietes weiss, dass dieses Material schwer zu finden ist, von den heutigen Marktpreisen für solche Stücke schon gar nicht zu reden. Da die Portosätze vor allem in den 50er Jahren sehr hoch waren, handelt es sich fast durchwegs um hochwertige Marken. Bei einem Portosatz von 45 Kreuzern für l Loth = 15 3/8 gr musste man in der Regel schon zu 12- oder 18-Kr.-Marken greifen, denn das Porto sollte mit möglichst wenig Marken verklebt werden. Dieser Portosatz galt für Briefe nach USA mit der Preuss.-Amerikanischen Paketpost oder wie es auf einem vorliegenden Brief heisst: PER PRUSSIAN CLOSED MAILPER STEAMER VIA LIVERPOOL; der aus Burgkundstadt kommende Brief ist nach New York adressiert und mit einem Fünferstreifen 18 Kr. gelb frankiert. Er muss also zwischen 1—2 Loth gewogen haben. Diese Briefe erhielten den Aachener Verrechnungsstempel, was auf dem in Abb. l wiedergegebenen Brief nach Philadelphia zu sehen ist. (Die prussian closed mail ging über Aachen, wo sich das Austauschbüreau befand!) Die Postgebühren änderten sich auch mit dem Leitweg. Ein weiterer Postweg nach USA ging über Bremen.
Wer mehr wissen will, muss die Postverträge studieren, die mit den einzelnen Ländern abgeschlossen wurden. Die Literatur darüber ist nicht nur sehr spärlich, sondern auch sehr unübersichtlich. Das Studium wird auch noch dadurch erschwert, dass die Währungseinheiten der verschiedenen Länder, die dem deutschösterreichischen Postverein angehörten, einen meist unterschiedlichen absoluten Wert hatten. Wenngleich uns in erster Linie die Briefe aus Bayern als solche interessieren, so ist es sicher wichtig zu wissen, dass etwa 1850 ein Brief von
l Loth nach USA 45 Kreuzer kostete, jedoch 1867, wie wir aus der Abb. 4 ersehen, nur noch 22 Kreuzer pro Loth, wobei um jene Zeit (ab 1865) das Zollpfund von 30 Loth galt, was einem Gewicht von 16 2/3 gr. pro Loth entspricht. In Abb. 7 sehen wir einen Brief aus Augsburg mit 21 Kreuzern frankiert. Ab 1.1. 1868 wurde das Porto nochmals ermässigt, und zwar auf 14Kr. für l Loth. Erst mit der Gründung des Weltpostvereins wurden' die Portosätze ab 1875 vereinheitlicht. Die meisten lateinamerikanischen Staaten traten aber erst später bei, etwa Nicaragua 1882 oder Kolumbien 1881. Bei Kolumbien ist dieses Datum insofern wichtig, als die meiste Post nach der Westküste, vor allem Lateinamerikas, via Panama (per Eisenbahn) befördert wurde, welches ja um diese Zeit noch zu Kolumbien gehörte. In diesem Zusammenhang möchten wir erwähnen, dass ein Brief aus deutschen Staaten über diese Route pro Loth über 100 Kreuzer kostete, beispielsweise nach Kalifornien und Oregon. Diese Seepost wurde um 1862 vielfach von der US A-Post benützt. Der New York-Stempel aus jener Zeit war besonders gekennzeichnet. Bayernbriefe via Panama nach Kalifornien aus dieser Zeit sind dem Verfasser keine bekannt, hingegen einzelne Briefe nach Chile oder Peru. Wir erinnern uns an einen Brief von 1861 nach Chile mit dem Durchgangsstempel des brit. Postamtes in Panama, abgeschickt von München und frankiert mit 8 12-Kr.- Marken.
1 Briefe nach den Vereinigten Staaten von Amerika
Zusammenstellung der Posttarife von Bayern nach den Vereinigten Staaten, aus "Verordnungs- und Anzeige-Blatt für die königlich Bayerischen Verkehrsanstalten, München den 20. April 1856, Nr. 19". Nebenbei bemerkt enthält die Zusammen-Stellung 126 Seiten für alle Länder, mit welchen seinerzeit Postverkehr bestand, Die Tarife wurden bis 1875 noch mindestens 2 x geändert. Es käme ein stattliches Buch zusammen, wollte man alle Tarife veröffentlichen!
Ordnungsnummer 62: Nordamerika (Vereinigte Staaten, es folgen die Namen der einzelnen Unionsstaaten), A Briefe
Bestimmung der Korrespondenz | Tarif für Briefe |
A. Über Frankreich *) bis zum Ausschiffungshafen, mit amerikanischen Paketbooten, aus Havre nach New York jeden 4. Montag und jeden 4. Mittwoch
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45 kr. 39 kr. |
B. Über Frankreich und England auf Verlangen "Voie d'Angleterre", bis zum Ausschiffungshafen 1. mit britischen Paketbooten, von Liverpool jeden Sonnabend abwechselnd nach Boston und New York
2. mit amerikanischen Paketbooten, jeden Mittwoch abwechselnd von Liverpool und von Southampton nach New York *)
3. nach Californien und Oregon (auf Verlangen über Panama), mit den am 2. und 17. jeden Monats von Southampton nach Chagres abgehenden Dampfbooten, mit Anschluss an jene von Panama nach San Francisco (Chagres lag an der atlantischen Küste, in der heutigen Bucht von Colon)
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45 kr. 39 kr.
24 kr. 18 kr.
l fl. 3 kr. 57 kr. |
C. Über Cöln, Ostende und England 1. mit den britisch-amerikanischen Paketen, bis zum Ausschiffungshafen **) a) nach den Vereinigten Staaten, mit Ausnahme von Californien und Oregon b) nach Californien und Oregon, über New York und Panama c) nach Californien und Oregon, direkt über Chagres und Panama 2. mit den preussisch-amerikanischen Paketen, bis zum Bestimmungsort ***) |
47 kr. l fl. 2 kr. l fl. 46 kr. 45 kr. (= 11 Sgr.) |
D. Über Bremen auf besonderes Verlangen des Absenders mit der Bezeichnung "via Bremerhafen", bis zum Bestimmungsort. Mit den amerikanischen Paketbooten jeden 4. Sonnabend von Bremen über Havre und Southampton nach New York ***) |
17 kr. (=4 1/4Sgr.) |
Anschliessend folgen Tarife für Warenproben und Druckschriften, die aber nur selten zur Anwendung kamen.
- *) bis !/2 Loth l-fach
- über l/2 - l Loth 2-fach
- über l - l! /2 Loth 3-fach
- usw. für jedes 1/2 Loth die einfache Taxe mehr
**) Frankozwang: die Vereinstaxe + die
- fremde Taxe
- bis l Loth l -fach
- über l -2 Loth 2-fach
- über 2 - 3 Loth 3-fach
- usw. für jedes Loth die einfache Taxe mehr = 10 3/4 Sgr.
***) frankiert oder unfrankiert =11 Sgr.
- Die Vereinstaxe + die fremde Taxe
- bis l Loth l-fach
- über l -2 Loth 2-fach
- über 2 — 4 Loth 4-fach
- usw. für je 2 Loth die doppelte Taxe mehr.
Abb. 1
Den vielleicht interessantesten Brief dieser Zusammenstellung sehen wir in Abb. l. Dieser Brief wog 2 Loth, das Porto betrug 135 Kreuzer. Es handelt sich ausserdem um einen Einschreibebrief, versehen mit einem weiteren englischen Stempel REGISTERED und Krone. Eingeschriebene Briefe nach Übersee waren nur sehr beschränkt
möglich, die Zuschlagsgebühr war die des einfachen Briefes nach dem betreffenden Land, was zur Zeit, als dieser Brief abgeschickt wurde, 45 Kreuzer pro Loth ausmachte. Das ergab für 2 Loth plus Einschreiben zusammen 135 Kreuzer auf dem verlangten Weg via Aachen. Das Porto war jeweils bis zum Bestimmungsort
zu zahlen (siehe Tarifordnung C 2. preussisch-amerikanische Paketboote bis zum Bestimmungsort 45 Kr.). Diese 135 Kreuzer entsprachen 39 Silbergroschen. 6 Sgr. (3x2) wurden für das deutsche Inlandporto gebraucht, sodass noch 33 Sgr. (Vermerk über dem 6 er-Block) verblieben, die das belgische und britische Transitporto, das Seeporto und das US-Inlandporto deckten. Interessanterweise schrieb das Aachener Austauschbureau nur 50C. gut, also für den doppelten Gewichtssatz, ohne die Einschreibegebühr. Bei anderen Leitwegen waren die Taxen verschieden, wohl basierte der Tarif auch auf 45 Kr., aber nur für 1/2 Loth, über 1/2 -- l Loth kostete 90 Kr. und jedes weitere 1/2 Loth weitere 45 Kreuzer, die Taxen waren also wesentlich höher. (Oben wurde der Versuch gemacht, die Tarife für USA darzustellen.) Der Münchner MRST ist derjenige aus der 2. Verteilung, also nach 1856. Bemerkenswert ist ferner der vollrandige 6er-Block der 18 Kr. gelb. Wir finden weiter den deutschen Stempel Recomandirt (rechteckig) und verschiedene Verrechnungsmarkierungen, vor allem die "60". Die Taxzahl 60 bedeutet 60C. und zeigt an, dass die doppelte Rate von je 30C. durch den Absender bezahlt wurde. Diese 60C. setzen sich zusammen aus:US inland 2x 5C. Sea + British transit 2x 18C. Belgian transit 2x 2C. German inland 2 x 5 C. 30C. 2x = 60C. In USA wurde der Durchgangsstempel von Boston mit Datum und PAID angebracht. Von Aachen bis Boston brauchte der Brief nur 18 Tage!