Österreichisch-schweizerische Postverträge (IV)
VI. Der Postvertrag von 1852
deutschen Postverwaltungen und der Schweiz zum Theile schon abgelaufen, zum Theile dem Ablaufen nahe sind, und die inzwischen eingetretene Gründung des Deutsch - Österreichischen Postvereines, sowie die Centralisierung des Schweizerischen Postwesens, eine anderweite Regulierung der Postverhältnisse zwischen dem Deutsch - Österreichischen Postvereinsgebiet und der Schweiz notwendig macht……
so setzt die Präambel zum neuen Postvertrag, welcher in Lindau am 23. April 1852 unterzeichnet und mit 1. Oktober gleichen Jahres "in Vollzug gesetzt" worden war, ein. Waren darin grundlegende Momente und allgemeingültige Richtlinien vereinbart und von den Delegierten Österreichs, Bayerns, Württembergs, Badens sowie der Thurn und Taxis'schen Verwaltung einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits unterschrieben worden, so hatten sich jeweilige Spezialverträge zwischen den einzelnen Postverwaltungen und der Schweiz angeschlossen. Der ergänzende österreichisch-schweizerische Postvertrag datiert unmittelbar danach am 26. April 1852; mit diesem Vertrag war jener vom 2. Juli 1849 ausser Kraft gesetzt worden.
Vieles war ähnlich dem vorangegangenen Vertrag gehalten worden, so war insbesondere auch die Praxis der bestehenden Postkurse übernommen worden: Aus wechslungsämter vereinbarte man in Feldkirch, Nauders, Tirano, Chiavenna und Camerlata auf österreichischer und in Rheineck, Chur, Martinsbruck sowie Brusio auf schweizerischer Seite. Für die Verbindung mit den westlichen Kantonen, Genf, Wallis, Waadt, blieb die Kursführung über Sardinien aufrecht. Die Grenzpostämter waren diesmal auch für die Taxenberechnung massgeblich, zumal im Gegensatz zu den bisherigen Gemeinschaftsportis, mit Entfernungsberechnung von Aufgabe- zu Zielorten ohne Berücksichtigung der Staatsgrenze, nunmehr die jeweiligen Inlandportis zum Gesamtporto zu addieren waren: im Artikel 3 der Übereinkunft zwischen dem deutsch-österreichischen Postverein und der Schweiz heisst es hiezu:
A. an Deutsch-Österreichischem Vereinsporto bei einer Entfernung
1) bis zu 10 geographischen Meilen einschliesslich 3 Kreuzer Conventionsmünze oder rheinisch, oder l Silbergroschen, je nach der Landeswährung;
2) über 10 Meilen bis 20 Meilen einschliesslich 6 Kreuzer Conventionsmünze oder rheinisch, oder 2 Silbergroschen;
3) über 20 Meilen 9 Kreuzer Conventionsmünze oder rheinisch, oder 3 Silbergroschen (Abb. 1);
Abb. 1: 15 Kreuzer-Frankatur auf Brief von Raab nach Fribourg mit 9 Kreuzer Osten, und 6 Kreuzer (20 Rappen) Schweiz. Portoanteil vom 19. Jänner 1858.
B. an Schweizerischem Porto bei einer Entfernung
1) bis zu 10 geographischen Meilen einschliesslich 10 Rappen (Centimes);
2) über 10 Meilen 20 Rappen (Centimes)." (Abb. 1)
Briefsendungen zwischen den Vertragspartnern konnten frankiert oder unfrankiert aufgegeben werden, während teilweise Frankierung (nur eigenes Inlandporto) unzulässig gewesen war. Für die Berechnung an die einzelnen Korrespondenten galt folgender Währungsschlüssel:
In den Vereinsstaaten erhob man für den schweizerischen Portoteil
für 10 Rappen 3 Kreuzer bzw. 1 Silbergroschen, für 20 Rappen 6 Kreuzer bzw. 2 Silbergroschen;
in der Schweiz erhob man für den Portoanteil der Vereinsstaaten für 3 Kreuzer bzw. l Silbergroschen 10 Rappen für 6 Kreuzer bzw. 2 Silbergroschen 20 Rappen für 9 Kreuzer bzw. 3 Silbergroschen 30 Rappen.
Als einfacher Brief galt einer, dessen Gewicht bis zu l Loth bzw. 15 Gramm reichte; pro Loth Mehrgewicht (bzw. angefangenes Loth) war das Normalporto zusätzlich einzuheben.
Ein begünstigtes Einheitsporto gab es in den Grenzzonen zwischen Postorten, welche nicht mehr als 5 Meilen (= ca. 37 km/ l geographische Meile = 7,42 km) ohne Grenzberücksichtigung auseinanderlagen: hier wurden 3 Kreuzer oder 10 Rappen taxiert, was eine Ermässigung auf die Hälfte"des Normaltarifes bedeutete. Ermässigte Grenzzonen-Tarife zwischen Österreich und der Schweiz hat es auch nach Etablierung der Weltpostvereinstaxen noch bis in unser Jahrhundert herein gegeben.
Für die Rekommandation waren einheitlich 6 Kreuzer bzw. 2 Silbergroschen bzw. 20 Rappen zusätzlich zu erlegen, für Retourrezepisse war diese Gebühr noch einmal zu bezahlen. Rekommandierte Briefe waren verbindlich bei der Aufgabe voll zu taxieren.
Für Kreuzbandsendungen (Drucksachen) im Briefpostbereich bis 16 Loth Gewicht galt ein einheitlicher Portosatz, unabhängig von der Entfernung, in Höhe von l Kreuzer bzw. 4 Silberpfennigen bzw. 4 Rappen. Kreuzbandsendungen waren bei Aufgabe freizumachen, ansonsten wurden sie seitens des Abgabepostamtes am Zielort als Briefe zum vollen Briefporto berechnet. Bemerkenswert ist auch, dass mit Briefmarken unkorrekt freigemachte Sendungen aller Briefpostarten als gänzlich unfrei behandelt wurden. Portofreiheiten galten ausschliesslich für die jeweiligen staatlichen Dienstsachen. Für Postzeitungsabonnements war vereinbart worden, dass über die festgelegten Grenzpostämter zu den jeweils im eigenen Bereich geltenden Speditionspreisen ausgeliefert würde.
Für die Schweiz passierende Transitpost wurde österreichischerseits je nach Route vergütet und den Korrespondenten an Transitporto pro Loth Gewicht wie folgt angerechnet:
1) zwischen Camerlata und Basel über den St. Gotthard und Luzern 9 Kreuzer
2) zwischen Feldkirch und Basel über St. Gallen und Zürich 6 Kreuzer
3) zwischen Chiavenna und Konstanz über Chur und St. Gallen 6 Kreuzer
4) zwischen Feldkirch und Konstanz über St. Gallen 3 Kreuzer
5) zwischen Rheineck und Konstanz 2 Kreuzer
6) zwischen Mailand und Lindau durch Graubünden, wobei der Kurs Chiavenna - Chur auf Kosten der schweizerischen Postv
7) zwischen Camerlata und Schaffhausen über Altdorf, Luzern und Zürich 9 Kreuzer
8) zwischen Feldkirch und Schaffhausen über St. Gallen 3 Kreuzer.
Nicht unter diese im Detail zu berechnenden Transitgebühren fielen Briefpostsendungen, welche vom deutsch-österreichischen Vereinsgebiet (Herkunftsland) in einen anderen Teil des Vereinsgebietes via Schweiz befördert wurden oder umgekehrt von einem Teil der Schweiz in einen anderen mit Passage über Postvereinsgebiet. In diesen Fällen bestanden Vereinbarungen, geschlossene Briefpakete gegen geringe gegenseitige Gebühren, die den Korrespondenten nicht tangierten, zu transitieren; Zeitungssendungen in diesem Transitsektor wurden überhaupt gebührenfrei behandelt.
Für die obenstehenden, detailliert mit Transitogebühr zu belegenden Sendungen ist noch zu bemerken, dass es auch auf die Hälfte ermässigte Transitogebühren für Mustersendungen und Warenproben gab, sowie ein einheitliches Transitoporto, unbesehen der gewählten Route, für Kreuzbandsendungen in Höhe von 1/2 Kreuzer.
Wie schon in den Protokollen von 1847 und im Vertrag von 1849 enthalten, so finden sich auch 1852 neuerlich die taxativen Festlegungen für schweizerische Post durch das Kaisertum Österreich nach Zielorten in anderen Staaten, die nicht dem deutsch-österreichischen Vereinsporto unterliegen. Hier werden die österreichischen Transitgebühren (analog den Inlandgebühren 3,6 bzw. 9, Kreuzer) in Rechnung gebracht und das Gesamtporto versteht sich dann aus schweizerischem Porto + österreichischem Transitporto +fremdländisches Porto; dasselbe versteht sich auch in umgekehrter Postrichtung. Es konnte hier je nach Zielland entweder teilweise, ganz oder gar nicht freigemacht werden. Besondere Bedingungen gab es weiterhin für schweizerische Briefe nach den Donaufürstentümern und in das Osmanische Reich (österreichische Auslandspostämter). Hier wurde für Briefe von oder nach der Schweiz zu dem jeweiligen schweizerischen Porto und der österreichischen Transitogebühr für Land- oder Seeweg wie folgt zusätzlich taxiert:
12 Kreuzer für Brief von oder nach Beyruth, Cesme, Dardanellen, Galatz, Gallipoli, Ibraila, Konstantinopel, Larnaca, Meteline, Rhodos, Salonich, Samsun, Seres, Smyrna, Tenedos, Trapezunt, Tultscha und Varna;
9 Kreuzer für Briefe von oder nach Alexandrien, Korfu, Ionische Inseln, Malta;
6 Kreuzer für Briefe von oder nach Bukarest, Jassy, Sarajevo;
3 Kreuzer für Briefe von oder aus Botutschany.
Ein Brief im Landwege von Bukarest durch das Kaisertum (höchste Entfernungsstufe) nach der Schweiz mit einem Zielort über 10 Meilen ab Grenze kam sonach auf eine Gesamtgebühr von 21 Kreuzer (6 kr. Bukarest — österr. Grenze + 9 kr. österr. Transit über 20 Meilen + 6 kr./ 20 Rappen Schweiz. Porto über 10 Meilen).
Wie schon früher wurde auch in diesem Vertrag die Korrespondenz aus der Schweiz nach den britisch-ostindischen Besitzungen und nach China aufgenommen, wobei sich hinsichtlich der englischen Seeportis keine Änderung gegenüber dem früheren Vertrag ergab, ebensowenig wie hinsichtlich der Taxierungsvorschriften :
Abb. 2: Brief vom 22. September 1854 aws Batavia nach Küssnacht via Triest; Taxvermerk "9/9" für je 9 kr. Seeweg Alexandrien - Triest bzw. Transit Österreich; der linke untere Taxvermerk "18/6" versteht sich bereits als Summe des österr. Portoanteiles (2x9 kr.) und des schweizerischen Portoanteiles (6 kr. = 20 Rappen).
a) nach den britisch-ostindischen Besitzungen, den Schutzstaaten und nach Hongkong war verbindlich bis Alexandrien zu taxieren (also Schweiz. Porto + 9 kr. österr. Transit + 9 kr. Seeweg nach Alexandrien) Abb.2;
b) nach China zusätzlich noch 30 Kreuzer und
c) nach allen über Ostindien hinausliegenden Zielorten noch 40 Kreuzer.
Die unter b) und c) genannten zusätzlichen britischen Seepostportis verstanden sich für einfache Briefe bis zu einem Gewicht von 3/4 Loth, das britische Porto stieg dann für die zweite Gewichtsstufe bis 11/2 Loth um das einfache Briefporto, weiter dann jedoch pro l 1/2 Loth um den doppelten Taxansatz.
Bleibt noch allgemein festzuhalten, dass die postalischen Vermerke bezüglich der Taxen analog herkömmlicher Gewohnheiten vorzunehmen waren, das heisst adressseitig waren die Gebühren unfrei aufgegebener Briefe zu vermerken und siegelseitig jene bei Aufgabe frankierter Briefe (sofern letztere nicht bereits mittels Briefmarken vorderseitig quittiert waren); frei aufgegebene Briefe waren durch einen Stempel oder "in anderer Weise" adressseitig deutlich kenntlich zu machen, um diese gleich von noch gebührenpflichtigen Briefen absondern zu können. Die Briefstempelung mit Orts-Datum-Stempel (Tag und Monat) war gleichermassen verbindlich wie gegebenenfalls die Anbringung eines Rekommandationsstempels. In der Manipulation hatten die wenigen Jahre seit dem nunmehr abgelaufenen Postvertrag von 1849 also nichts Neues gebracht, lediglich die Briefmarke war als Quittungsbeleg aufgetaucht, war österreichischerseits bei Auslandsbriefen allerdings noch nicht verbindlich gewesen.
Die Vertragsdauer war bis Jahresende 1860 fixiert, während danach jährliche Kündigungsmöglichkeit bestand. Tatsächlich hatte dieser Postvertrag bis zum 31. August 1868 Bestand gehabt, wobei er lediglich taxativ der Währungsumrechnung in Österreich 1858 von Conventionsmünze auf Österreichische Währung (3 kr. CM = 5 kr. ÖW / 6 kr. CM = 10 kr. ÖW / 9 kr. CM = 15 kr. ÖW) unterworfen gewesen war.
Fortsetzung folgt