Österreichisch-schweizerische Postverträge (V)

VII Der Postvertrag von 1868
Ehe der Weltpostverein mit 1. Juli 1875 organisatorische und tarifliche Vereinbarungen auf breiterer internationaler Ebene zu schaffen begonnen hatte, war es mit dem in Wien am 15. Juli 1868 unterzeichneten Postvertrag noch einmal zu einer Neufassung bilateraler Postbeziehungen zwischen Österreich und der Schweiz gekommen. "Von dem Wunsche geleitet, eine den dermaligen Verhältnissen entsprechende Regelung und Erleichterung des gegenseitigen Postverkehrs herbeizuführen", so leitet der Vertragstext ein,war dieser Vertrag geschlossen und nach beidseitiger Ratifizierung mit 1. September 1868 in Kraft gesetzt worden. Gleichzeitig war die Lindauer Übereinkunft vom April des Jahres 1852, nach über sechzehnjähriger Dauer, ausser Vollzug gesetzt worden. Dieser Vertrag liest sich schon wesentlich moderner als der vorangegangene und konnte mit seinen Bestimmungen praktisch nahtlos in den späteren Weltpostvertrag einfliessen.
Vorweg wurde festgeschrieben, dass für den Posttransport, sowohl Brief- als auch Fahrpost (letztere betraf Pakete und Wertbriefe), die jeweils günstigsten Routen zu wählen wären, um die raschestmögliche Transportabwicklung zu gewährleisten. Hier finden sich auch Bahnpostkurse und Schiffsverbindungen unmittelbar angeführt, die nach jeweiliger Absprache der bezogenen Postdienststellen für den grenzüberschreitenden Transport des Postgutes heranzuziehen waren. Die beiden vertragsschliessenden Postverwaltungen hatten hinsichtlich der jeweiligen Übergabe an den Vertragspartner vereinbart, dass stets von dem Grundsatz auszugehen wäre, "dass jeder Theil für die Überführung der Postsendungen aus seinem Gebiete bis zur gegenüberliegenden Grenzpoststation des benachbarten Gebietes zu sorgen hat". Die Manipulation und die äussere Kennzeichnung der Briefe (Frankatur, Abstempelung usw.) unterlag im Wesentlichen keinen Neuerungen und es sollten "die für den inneren Verkehr der hohen vertragsschliessenden Theile beste henden Vorschriften" Anwendung finden.
Für die Zulässigkeit und Taxierung im Briefpostbereich war folgendes vereinbart worden:
Briefe waren einfach, rekommandiert und mit Expresszustellung möglich, wobei die untere Gewichtsstufe bis zu l Loth bzw. 15 Gramm reichte und die Obergrenze im gesamten Briefpostverkehr mit 250 Gramm festgelegt war.


Abb. 1: Vertragsporto auf einfachem Brief von Wien in die Schweiz 1871 /10 Kreuzer.

Rekommandationsgebühr 10 Kreuzer/ 25 Rappen
Rückscheingebühr 10 Kreuzer/25 Rappen
Rekommandierte Sendungen waren verbindlich in voller Taxhöhe vom Absender zu frankieren. Ersatzansprüche bei Verlust konnten innerhalb von sechs Monaten angemeldet werden, die einheitliche Ersatzleistung der Postverwaltungen im Nachweisungsfalle betrug 20 Gulden beziehungsweise 50 Franken.

Expressgebühr
bei Adressierung innerhalb des Orts-Bestellbezirkes des Bestimmungspostamtes 15 Kreuzer / 30 Rappen Zahlung wahlweise durch Absender oder Adressaten. Bei Adressierung nach dem Land-Bestellbezirk des Bestimmungspostamtes war vom Adressaten der ortsübliche Botenlohn zu bezahlen. Eine Rekommandation der Expresssendungen war nicht erforderlich.

Drucksachen pro 40 Gramm (2 1/2 Loth) 2 Kreuzer/ 5 Rappen
Die ausführliche Umschreibung des Charakters einer Drucksache schloss prinzipiell jeden zusätzlichen Handvermerk aus, lediglich bei Korrekturbögen von Verlagen bzw. Druckereien waren die korrekturüblichen Anmerkungen zulässig. Der Versand hatte offen unter Schleife oder Kreuzband, einfach gefaltet zu erfolgen; es waren auch Drucke in Kartenform zugelassen. Frankieren musste der Absender, Rekommandation war möglich; unfrankierte oder unzureichend frankierte Drucksachensendungen wurden von den Bestellämtern als unfrankierte Briefe (!) behandelt und unter Anrechnung allfälliger Teilfrankatur in Briefmarken nach den Taxierungsbestimmungen für Briefe mit Nachgebühr belegt.

Warenproben
wurden taxativ analog den Drucksachen behandelt, was sich auch für die Nachtaxierung bei unzureichend freigemachten Sendungen verstand; es galt Frankierungspflicht für den Absender. Es durften den offenen Mustersendungen keine Briefe beigegeben werden, lediglich Hinweise auf Warenbezeichnung und deren Preise.
Wie bereits früher, hatte man auch in diesem neuen Postvertrag Begünstigungen im Bereiche des grenznahen Postverkehres zwischen den beiden Ländern vorgesehen, wonach Postorte welche, unbesehen der dazwischenliegenden Staatsgrenze, nicht mehr als 52 1/2 km, beziehungsweise 7 geographische Meilen, in gerader Linie voneinander entfernt waren, für den Postverkehr untereinander begünstigte Tarife genossen:

Das 5 Kreuzer-Porto im Grenzbereich entsprach somit dem seit 1. Jänner 1866 geltenden österreichischen Inlandporto.

Drucksachen und Warenproben
pro 40 Gramm (2 1/2 Loth) waren österreichischerseits mit 2 Kreuzern gleich dem normalen Porto im bilateralen Verkehr, da dies sowieso der Inlandtaxe für Drucksachen analog war, während die Schweiz auf 2 Rappen ermässigte.
Auf die Zusatztaxen für Rekommandation und Expresszustellung hatte die Begünstigung im Grenzbereich natürlich keinen Einfluss. Im übrigen war diese Sondervereinbarung für die Grenzzonen beider Staaten auch nach den internationalen Taxregelungen seitens des Weltpostvereines aufrecht geblieben.
Allgemein war dann noch hinsichtlich der Frankierung mittels Briefmarken, hier "Postfreimarken" genannt, festgehalten worden, dass hiefür die Emissionen des jeweiligen Ursprungslandes der Briefpostsendung herangezogen werden können, ebenso auch Ganzsachenkouverts mit Wertzeicheneindruck. Bei Unterfrankierungen wurde nach den Regeln unfrankiert eingelangter Briefe vorgegangen, wobei jedoch der aufgeklebte Markenwert in Anrechnung gebracht wurde. Bei Überfrankierungen — dies wurde ausdrücklich festgehalten — verfiel die Übergebühr zu Gunsten der Postverwaltung, eine Erstattung des Mehrbetrages war nicht vorgesehen.
In den Vertragszeitraum fiel schliesslich auch noch die Einführung der Korrespondenzkarte mit 1. Oktober 1869 in Österreich und 1870 in der Schweiz. Die zwischenstaatliche Auslandskartengebühr betrug nach Zulassung über den inländischen Postverkehr hinaus 4 Kreuzer. Diese Gebühr war nur durch Zusatzfrankatur auf die 2 Kreuzer-Inlandkarten zahlbar, wobei jedoch solche Korrespondenzkarten nicht übermässig häufig zu finden sind. Der Weltpostverein hatte die Korrespondenzkarte international erst 1878 akzeptiert, die Widerstände — basierend auf Anstand und Sitte — waren lange relativ stark gewesen und ab 1880 gab es dann in Österreich die Weltpostvereinskarte mit dem geltenden Taxwert von 5 Kreuzern als Eindruck.
Der Zeitungsversand vollzog sich auf Basis dieses Wiener Vertrages wechselseitig nach den jeweiligen inländischen Konditionen sowohl nach Abo- als auch nach Speditionskosten; die Postämter beider Vertragspartner nahmen die Bestellungen für Postabonnements beider Länder entgegen. Ein Hinweis auf die damals bestandenen Zeitungszensuren ergibt sich aus dem Passus, wonach jedes Land das Recht habe, Zeitungen und Zeitschriften des Partnerlandes auszuschliessen, sofern eine Verteilung "nach den in dem betreffenden Gebiete bestehenden Gesetzen und Vorschriften über die Erzeugnisse der Presse als statthaft nicht zu erachten ist".
Details über die Versendungen aus der Schweiz nach den Donaufürstentümern, dem Osmanischen Reiche und via Alexandrien nach britischen Überseebesitzungen waren hier nicht mehr neu behandelt worden. Grundsätzlich wurden nur die Transitgebühren in Drittländer jeweils auf Basis der bilateralen Taxierungen und zwischenstaatlichen Verrechnungen abgesprochen, sofern es sich um Einzeltransite handelte. Für Sammeltransite in Drittländer (geschlossene Briefpakete) vergütete man sich gegenseitig pro 30 Gramm Briefgewicht netto 20 Rappen und pro l kg Drucksachensendungen oder Warenproben l Franken. Die österreichische Post genoss für derartige geschlossene Transite nach und von dem Königreich Italien und nach und von dem Kirchenstaate via Schweiz eine Begünstigung mit einer Gebühr von nur 10 Rappen pro 30 Gramm Briefgewicht netto beziehungsweise nur 50 Rappen pro l kg Drucksachen oder Warenproben.
Die Portofreiheit wurde gegenseitig für reine Staatsdienstangelegenheiten anerkannt, wobei solche portofreie Sendungen nach den Vorschriften der Ursprungsländer zu bezeichnen gewesen waren. Auch der Transit derartiger Staatskorrespondenzen ging kostenfrei auf Gegenseitigkeit vor sich.
Includiert in die Bestimmungen des Vertrages waren nach ausdrücklicher Erwähnung im Vertragstext das Fürstentum Liechtenstein (postalisch damals an Österreich gebunden) und Belgrad im Fürstentum Serbien, letzteres solange dort ein k.k. Postamt bestand.

Abb. 2: Weltpostvereins-Frankatur auf Brief von Wien in die Schweiz 1879 /10 Kreuzer.

von 1868 nach der innenpolitischen Umorganisation vom zentralistischen Kaisertum Österreich zur Monarchie ÖsterreichUngarn (1867) abgeschlossen worden war. Formale Vertragspartner waren der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und Seine Kaiserliche und Königliche Apostolische Majestät andererseits. Die dualistische Situation mit den beiden Postverwaltungen in Wien und Budapest kam durch die analoge Besetzung der Verhandlungsbevollmächtigten zum Ausdruck, die alleinige Vertretungsbefugnis Wiens dem Auslande gegenüber durch die im Artikel 25 des Postvertrages festgehaltene Modalität der gegenseitigen Abrechnung: die gegenseitigen Forderungen waren vierteljährlich zwischen dem Postdepartement in Bern und dem k.k. Handelsministerium in Wien abzurechnen.
Der Postvertrag war von Jahr zu Jahr per 1. September kündbar, blieb jedoch bis zum Weltpostvereinsvertrag vom 1. Juli 1875 in Kraft. Tariflich gab es im Postverkehr zwischen Österreich-Ungarn und der Schweiz nach 1875 kaum Probleme, zumal sich in der Manipulation nichts änderte und taxativ die bisherigen bilateralen Vereinbarungen in den wesentlichen Momenten auch im Weltpostvereinstarif erhalten geblieben waren: der Einfachbrief bis 15 Gramm mit 10 (Abb. 2) beziehungsweise unfrankiert 20 Kreuzern und die Rekommandationsgebühr mit 10 Kreuzern und Rückschein auch 10 Kreuzern blieben weiter unverändert, das heisst der Weltposttarif war analog; die Postkarte veränderte ihr Porto von 4 auf 5 Kreuzer, die Drucksachen ihren Basistarif (allerdings jetzt pro 50 nach zuvor 40 Gramm) von 2 auf 3 Kreuzer. Wie schon eingangs gesagt, vollzog sich ein relativ nahtloser Übergang in die breite Internationalität des Weltpostvereines.

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