Dienstpost - ein selbständiges Sammelgebiet?
Es ist auffallend, dass in der Philatelie mit ihren zahlreichen Sammelgebieten und einer Vielfalt an Themen manche Gebiete sehr geringe Beachtung finden. Die Dienstpost gehört auch dazu, denn selbst bei Ländern mit einem beachtlichen Anteil eigener DienstmarkenAusgaben wird diesem meist die kalte Schulter gezeigt. Ausstellungsreife Objekte zum Thema Dienstpost werden im Wettbewerb kaum vorgestellt und zählen international zu den grossen Seltenheiten. Das macht nachdenklich, weil ja Ausstellungen heutzutage nicht nur Objekte vorstellen, sondern zugleich auch Richtungen für neue Interessenfelder aufzeigen, denen sich die forschende Philatelie widmet. Und wenn es stimmt, dass Teilbereiche der Philatelie für Gebiete der Wissenschaft, etwa der Geschichtsforschung, als dokumentarische Unterstützung angesehen werden können, dann sind Altbriefmarken und Dienstpost sicher Betätigungsfelder, deren Bedeutung zunehmen wird.
Der Begriff «Dienstpost» ist hier im ursprünglichen Sinne zu verstehen, nämlich als die von den befugten Behörden, z.B. der Länder oder Gemeinden, auch Institutionen, der Post zur vertragsgemässen Beförderung und Bestellung übergebenen Versandstücke (Briefe, Pakete, u.a.). Die Aufträge kommen dabei von einer Vielzahl einzelner Behörden und Einrichtungen, die im öffentlichen Auftrag tätig sind (oder waren, sofern sie nicht mehr existieren). Für den Sammler eröffnet sich also ein breitgefächertes Sammelgebiet, bei den klassischen Ländern bis weit in die Vorphilatelie hinein.
Dienstpost spiegelt also ganze Zeitabschnitte wider. Man denke nur an die Reichspost der Thurn und Taxis-Zeit als notwendige Einrichtung des Nachrichtenaustausches zwischen kaiserlicher Verwaltung und den Ländern, oder die Landespost unter den einzelnen Regierungen auch in Kriegs- und Besetzungszeiten, bei politischen Umbrüchen und Gebietsänderungen.
Ein weiteres Kapitel stellen die Belege der Behörden dar, unterschieden nach den obersten Landes- oder Reichsbehörden, den Verwaltungen der zugehörigen Länder oder Kantone, den Gemeinden und Einrichtungen oder Personen, die in öffentlichem Auftrag tätig waren. Ein besonderes Kapitel ist die Post selbst. Wie stellt sie sich dar auf Dienstbelegen? Auch die Polizeidienste sind ein durchaus sammelwürdiges Gebiet mit ihren teilweise vielfältigen Belegen. Wissenschaft und Gesundheitswesen zählen ebenfalls mit hinzu. Schliesslich sind noch die Dienstmarken zu erwähnen. Ihnen kommt die gleiche Aufmerksamkeit zu wie den Freimarken für den allgemeinen Bedarf.
Mit dem Begriff Dienstpost wird zuweilen «Portofreiheit» verbunden. Das gilt aber nur sehr eingeschränkt und für bestimmte Zeitabschnitte. Dienstpost kann vom Porto befreit, im Porto abgelöst oder auch portopflichtig sein. Besondere Vereinbarungen zwischen dem Staat und seiner Post regeln dies sowohl für den innerstaatlichen Bereich wie auch für den Postaustausch mit anderen Ländern. Ein Verfahren für die portopflichtigen Behörden-Poststücke - Portofreiheit ist die seltene Ausnahme! - ist die Verrechnung über Pauschalsummen, die dem Postaufkommen der einzelnen Behörden angepasst sind. Vermerke wie Jahresgebühr (in Österreich), O.H.M.S. (für britische Post) oder Amtlich (Schweiz) und Frei durch Ablösung Reich (im deutschen Reich), wie auch Frei laut Avers (deutsche Staaten bis 1920) lassen auf dieses Verrechnungsverfahren schliessen.
Abb. 1: Schweizer Konsulalspost
Abb. 2: R-Brief des polnischen Militärs
Abb. 3: Ausländsbrief der Regierung von Mecklenburg-Strelitz
Abb. 4:Preussische Staatsdienstsache zur Zeit der Hochinflation
Abb. 5: R-Briefder brit. Protektorats-Verwaltung Zanzibar
Der besondere, innerstaatliche Verrechnungsweg für die Kosten, welche der Post aus der Behandlung der Dienstpost entstehen, führte in vielen Ländern zur Verwendung von besonderen DIENSTPostwertzeichen. Format und Farben entsprechen meist denen des allgemeinen Bedarfs. Für den internationalen Postverkehr sind nur den U.P.U.-Vorschriften genügende zugelassen. Das Markenbild weist in jedem Falle ausdrücklich auf die Dienstpost hin. Es sind eben DIENST-Postwertzeichen. Sammlungen, die unser Thema zum Inhalt haben, gehören zu den jeweiligen Ländern, wenn auch unter dem vorgegebenen Sondergesichtspunkt. Es bedarf mannigfacher Erfahrung, ein solches Objekt zusammenzutragen. Mit dem Aneinanderreihen der Marken nach Katalog ist es nicht getan, denn nur Belege geben Auskunft über die tatsächliche, amtliche Verwendung. Nicht umsonst liegt hier auch der Grund für die beachtliche Preisbewertung mancher Stücke. Literatur ist notwendig, denn ohne Sachkenntnisse, auch in der Landesgeschichte, ist nur schwer voranzukommen. Wer aber seine Linie findet, wird Freude haben und Aufmerksamkeit bleibt nicht aus. Auf den Seiten 28-30 als Beispiele einige Bedarfsbelege, ausgewählt aus dem Sammlungsbestand des Autors: Beleg l - SCHWEIZ: Portopflichtiger R-Brief des Schweizerischen Konsulates in Dresden nach Bern, vom 9.XI.23 mit portogerechter 10 Milliarden-Frankatur, als Beleg für die Konsulatstätigkeit während der Hochinflation in Deutschland. Vorderseitig Dienstsiegel-Abdruck, rückseitig Siegeloblate. Beleg 2 - POLEN: R-Brief des polnischen Militärs mit Dienstmarke Mi-Nr. D20 von ZLOCZOW nach GDYNIA vom 29.VIII.39, Ankunft dort am 30.VIII. um 18 Uhr. (12 Stunden später fielen die ersten Schüsse auf der Westerplatte zum WK II) Beleg 3 - DEUTSCHES REICH: Auslandsbrief der Regierung von Mecklenburg-Strelitz nach Wien vom 10.1.(18)83. Portoablösung «Frei laut Avers Nr. 4, G(e)h(eim) RegierungsRegistratur». In Wien mit «ex offo» in blau zur Bestätigung der PortoAblösung versehen. Beleg 4 DEUTSCHES REICH: Inland-Postkarte aus der Zeit der Hochinflation von Greifswald nach Frankfurt/Main vom 22.12.23. Portogerechte Einzelfrankatur 50 Milliarden (Mi-Nr. D 88), gültig vom 1. bis 31.12.23. Preussische Staats-Dienstsache. Beleg 5 - ZANZIBAR: Portopflichtiger R-Brief der britischen Protektoratsverwaltung nach Minneapolis vom 20. OC (18)97 mit Übernahmestempel Schiff in rot, Dienstvermerk «Official» und Registrier-Nr. in blau.