Cholera Post von Russland nach Preussen
Anfang 1831 befiel die Cholera mehrere Gegenden Russlands und gefährdete die Grenzen Ostpreussens. Nach dem Ausbruch der Krankheit in Polen wurden seitens der preussischen Regierung Vorkehrungen getroffen, die Seuche an den Grenzen aufzuhalten: durch eine strenge, militärisch unterstützte Grenzsperre mit Sanitär-Cordons, durch die Anlegung der erforderlichen Quarantäne-Anstalten für Reisende und durch Einrichtungen zur Reinigung derjenigen Sachen, welche die Ansteckung verbreiten könnten; all dies laut einer Bekanntmachung aus Berlin vom 17.5.1831.
Die Grenzsperre in Form eines militärischen Sanitäts-Cordons erstreckte sich zunächst auf die bedrohte Landesgrenze von Memel bis zur südlichen Spitze von Ober-Schlesien. Zur Aufrechterhaltung des Reisenden- und Postverkehrs waren mehrere Grenzorte für den Eingang geöffnet geblieben, es waren dies: Berun Zabrzeg (in Schlesien) Landsberg Podzamcze bei Kempen (in Posen)Skalmierzyce Strzalkowo bei Wrozeschen (in Preussen) Szylno bei Thorn Strasburg Napiorken bei Neidenburg Dlottowen bei Johannisburg Eidkuhnen bei Stallopöhnen Schmaleningken Laugallen bei Memel Nimmersatt
Briefe und Papier waren durch Räucherung zu reinigen. Die obigen Ausführungen wurden veröffentlicht in den Amtlichen Nachrichten aus der Berliner Zeitung No 138 vom 25.5.1831 (im «Algemeen Rijksarchief, Den Haag gefunden von Dr. D.W. De Haan).
Schon am 4.5.1831 brachte ein Edikt der Königlichen Preussischen Regierung Instruktionen zur Behandlung der Korrespondenz: «Alle Briefe mussten durchstochen worden mit Pfrieme oder Nadeln, in Essig getaucht und geräuchert in Spezialkasten».
Am 13. Juni erschien eine Anweisung über das Desinfektionsverfahren mit genauer Beschreibung des Vorganges (Abb. 1).
Art. 27 beschreibt den Vorgang des Desinfizierens in einem dreigeteilten Kasten (Abb. 2), unten Feuer, in der Mitte eine Essigschale, oben die Briefe auf einem Rost. Auf dem Feuer ein Räucherpulver gestreut. Die Briefe blieben 5 Minuten im Kasten (äussere Reinigung), wurden herausgenommen und durchstochen mit Pfriem (oder mit Rastelzange, Abb. 3), oft auch zur Seite aufgeschnitten und wieder 5 Minuten in den Kasten gelegt (innere Reinigung), wobei Hitze, Essigdampfund Rauchpulver einwirkten.
Abb. 1: Auszug der «Anweisung über das Desinfections-Verfahren» vom 13. Junil831. (Erstmalspubliziert in F.F. Meyer, DisinfectedMail, 1962).
Art. 28 bestätigt die Stempelung der Briefe mit dem Sanitätsstempel.
Von den oben genannten Orten kennen wir nur zwei Anstalten, welche einen Stempel gebrauchten: Laugallen (Memel) und Nimmersatt.
Laugallen (Memel) vom 18.5.1831 bis 8.6.1831 (2 Typen), Nimmersatt vom 15.6.1831 bis 23.10.1831 (2 Typen).
Bei den in Laugallen (Memel) verwendeten Sanitätsstempeln (siehe Art. 28 der Instruktion vom 13. Juni) handelt es sich um Petschaften des Memeler Oberpostamtes. Dr. Meyer beschreibt in seinem grossartigen Werk (Disinfected Mail» beide Stempel als undeutlich: 1) Ovalstempel, weisse Krone mit Inschrift DIENST-SIEGEL in 2 Zeilen, 22 x 20 mm; 2) Ovalstempel weisser Adler, 25 \4 mm (Abb. 4
Zu den 4 Belegen (l S Type l, 3 El Type 2) vom 25.5. bis 8.6.1831, welche Dr. Meyer vorlagen, wurden fünf neue gefunden, vom 18.5. bis 1.6.1831. Da es sich quasi um Erstabschläge handelt, war das Petschaft noch nicht verschmiert, sodass eine exakte Beschreibung der Typen erfolgen kann:
Type I, Negativ-Ovalstempel, Krone und zweizeilige Inschrift: K.P.O.P.A. MEMEL, Posthorn, 22x20mm (Abb. 5).
Type II, Negativ-Kreisstempel, Inschrift: KON: PR. OBER POSTAMT, Krone, MEMEL, Posthorn, 0 28 mm (Abb. 6).
Ein fast kompletter Abschlag des Stempels vom Type I befindet sich auf einem vorausbezahlten Brief von St. Petersburg mit kyrillischem Aufgabestempel vom 9. Mai 1831, über Laugallen (Sanitätsstempel) und Memel (25. Mai) mit rotem Einzeiler FRANCO von Aachen nach Verviers (Belgien), durchstochen und mit leichten Essigspuren (Abb. 7).
Abb. 7: Vorausbezahlter Brief von St. Petersburg 9.5.1831, über Laugallen, Memelund Aachen nach Verviers (Belgien).
Der Stempel vom Typ II ist komplett abgeschlagen auf vorausbezahltem Brief von Libau, mit zweisprachigem Aufgabestempel vom 19. Mai, über Laugallen (Sanitätsstempel) und Memel (1. Juni) mit Einzeiler FRANCO von Emmerich und Franco Tout, roter Kastenstempel von Arnhem, nach Schiedam (Niederlande), durchstochen und mit leichten Essigspuren (Abb. 8, Seite 8). Die Seltenheit der beiden Negativstempel von Laugallen lässt sich erklären durch den anscheinenden Wechsel der Reinigungsstätte. Vom 18. Mai bis 8. Juni (nur 22 Tage!) finden wir beide Stempel mit dem Memeler Durchgangsstempel. Abgelöst werden sie durch zwei neue Stempel in einer anderen Kontumaz-Anstalt: Nimmersatt, und zwar vom 15.6. bis 23.10.1831 (immerhin ca. vier Monate). Es gibt zwei Typen mit gleicher Inschrift: Kreisstempel mit Dreizeiler KÖNIGL. PR. CONTUMAZ DIRECTION mit Aussenrand: zu NIMMERSATT (untere Hälfte). Im Gegensatz zu Laugallen, immer rückseitig gestempelt, (Abb. 9 + 10).

Abb. 8: Vorausbezahlter Brief von Libau 19.5.1831, über Laugallen, Memel, Emmerich und Arnhem nach Schiedam (Niederlande).
Type I : 0 Kreis: 28 mm. Daten: 6.1., 9.10., 23.10.1831 (Abb. 9) Type II: 0 Kreis: 23 mm. Daten: 15.6., 22.6., 20.7., 27.7.1831 (Abb. 10).
Als die Epidemie im September 1831 Berlin erreichte, wurde die Reinigung der Briefe hauptsächlich dort vorgenommen. Laut Dr. Meyer in: Brandenburg, mit Kreisstempel SAN.St.,SANS, und SANSt, verschiedene Typen mit \1 bis 19 mm Durchmesser, vom 9.9. bis 19.10.1831. Auf Briefen von Libau und St. Petersburg wurde zwischen 2.10. und 12.11.1831 (Durchgang Memel) nur der Stempel SAN.St. gefunden (Abb. 11).
Berlin, Zentralamt für Post aus Polen und Russland, Kastenstempel mit zweizeiliger Inschrift: KOEN.PREUSS: SANITAET. STEMP:, in 3 Typen vom 3.7. bis 16.9.1831. Davon nur eine Type auf 2 Briefen von Warschau nach Paris, 30.7. und 4.8.1831 (Abb. 12).