Schweizer Post auf Fluglinien im Ausland V: Cairo-Bagdad die Wüsten-Linie

Die Einrichtung dieser Linie, die ihren Namen «Desert Route» zu Recht verdient, wurde an einer Konferenz beschlossen, welche im März 1921 in Cairo stattfand. Wahrscheinlich war es kein anderer als Winston Churchill, als Kolonial- und Luftfahrtminister Grossbritanniens Teilnehmer an dieser Konferenz, der dafür den Ausschlag gab. (Er hatte schon 1919 die Meinung geäussert, dass eine Luftverbindung von Cairo bis Karachi äusserst wichtig sei, sie würde das Empire zusammenschnüren, wie er sich ausdrückte). Die Royal Air Force erhielt den Auftrag, den regelmässigen Flugverkehr zwischen Cairo und Bagdad aufzunehmen. Die Entfernung Cairo - Bagdad beträgt ca. 1300km Luftlinie. Der mittlere Teil dieser Strecke - ca. 700 km - ist nichts als Wüste. Um den Piloten die Navigation zu erleichtern und auch um notgelandete Flugzeuge schneller zu finden, wurde die Strecke durch Fahrzeugspuren im Sand, teils auch mit einem Pflug vertieft, markiert. In Abständen von ca. 30 km wurden, wo der Boden für Notlandungen geeignet war, Landeplätze durch kreisförmige Spuren angegeben; diese wurden mit Ziffern und Buchstaben bezeichnet, so dass der Pilot immer wusste, wo er sich befand. Auch die grosse Hitze schuf Probleme: die Motoren schafften es nicht immer, die Flugzeuge vom Boden abheben zu lassen. So musste statt in Amman bei der Eisenbahnstation Ziza (oder Jiza, 25 km südlich Amman) zwischengelandet werden, weil dort die Luft etwas weniger heiss war. Als eine weitere Vorsichtsmassnahme wurde beschlossen, dass immer zwei Flugzeuge miteinander auf die Strecke gingen.

Einen anschaulichen Bericht über einen Flug von Bagdad nach Ziza gibt WingCommander Hill im «Journal of the Royal Aeronautical Society, May 1928» (frei übersetzt und gekürzt):
£5 war an einem Nachmittag im Sommer, als unsere Maschinen Kurs aufRamadi am Euphrat nahmen. Bis dahin sind es 65 Meilen (ca. 100 km), die über ebenes Kulturland führen. In Ramadi - der ((Flugplatz» besteht nur aus einer Radiostation und einer Tankstelle - wird aufgetankt und übernachtet. Am frühen Morgen, bevor die Sonne aufgeht und die Luft noch kühl ist, geht es weiter. Wir sind nun über der Wüste und folgen der Spur im Sand. Die Temperatur wird nahezu unerträglich, und die Turbulenzen zwingen uns, dauernd mit dem Höhensteuer auszugleichen, um das Flugzeug einigermassen horizontal zu halten. Wir haben El Jid hinter uns gelassen und sind jetzt über einem Hochplateau, da gibt uns die vor uns fliegende Maschine ein Zeichen, dass sie landen muss. Wir landen ebenfalls und rollen zu unseren Kameraden. Der Ölstandsanzeiger hatte null angegeben, aber es stellte sich heraus, dass nur das Instrument defekt war. Glücklicherweise hatten wir Ersatz dabei. Nach einer Stunde waren wir beide wieder in der Luft. Am Landeplatz «D» nehmen wir 80 Gallonen Sprit auf und überprüfen rasch unsere Motoren. Es sind noch 86 Meilen (131 km) bis Ziza. Unter uns bereits die Wasserstellen von Kasr Azrak, die im Winter zu ziemlich grossen Seen werden. Wir sind jetzt in Transjordanien, südlich glänzt das alte Fort von Kasr Kharana im Sonnenlicht, das angeblich die Römer gebaut haben. In Ziza erwartet uns eine Eskorte von Panzerwagen mit Leuten von Amman, die uns beim Auftanken helfen sollen. Das Auftanken geschieht mittels Handpumpen und ist immer eine mühselige Arbeit; für zwei Flugzeuge und für eine kurze Inspektion der Motoren braucht es zwei Stunden. Die Nacht verbringen wir in einem Raum der Eisenbahnstation. Unsere Maschinen sind fest vertäut für den Fall, dass ein nächtlicher Sandsturm aufkommen sollte. Die Postsäcke werden streng bewacht; manche der Säcke aus Bagdad und Persien tragen hölzerne Schildchen mit der Bezeichnung «London City». Es ist Freitagnacht, und der Postzug verlässt Cairo erst am Sonntag abends um 6. Wir haben also viel Zeit für die letzte Etappe bis Cairo, sie wird über Bersheba in Palästina, Kantara am Suezkanal und die östlichen Ausläufer des Nildeltas führen. Alle 14 Tage wird diese Strecke geflogen, bei gutem oder schlechtem Wetter, bei immenser Hitze und manchmal auch bei bitterer Kälte. Der Flug gehört zu den normalen Pflichten unserer Schwadron. Die Post erreicht praktisch immer ihr Ziel pünktlich, dass heisst, dass wenigstens ein Flugzeug immer den Flugplan einhalten kann.

Abb. 2. Flugpostbrief Zürich - Busra City (Mesopotamien). Aufgabe in Zürich am 5. Mai 1923, Ankunftstempel Bagdad 26 May 23 und Busra City 28 May 23. Frankatur l Fr. (40 Rp Brief faxe, 60 Rp Flugpostzuschlagfür die Linie Cairo - Bagdad).

Es wird nicht erwähnt, aus welchem Jahr dieser Bericht stammt, vermutlich nicht aus den ersten Jahren, da von Vernon-Flugzeugen mit zwei LionMotoren gesprochen wird; anfangs waren aber einmotorige De Havilland DH9 (umgebaute Bomber) eingesetzt. Die Beschleunigung der Postlaufzeit war erheblich; von London nach Bagdad reduzierte sie sich von 28 auf 9 Tage, obwohl die Post zwischen London und Port Said mit Schiffen der Peninsula & Oriental Steam Navigation Company befördert wurde. Die Fluglinie wurde demzufolge auch reichlich benutzt. Nach amtlichen Angaben wurden im ersten Quartal 1922 in beiden Richtungen zusammen 10,317 Briefe befördert, im vierten Quartal 1922 bereits 50,392 Briefe und im ganzen Jahr 1922 ca. 132,000 Briefe.

Abb. 3. Flugpostbrief Teheran - Bern. Aufgabe in Teheran am 5. März 1925. Transitstempel: Bagdad 16 M A R 25, Port Said 20.IU.25, Ankunftstempel Bern 28.1 II.25.-6. Die Flugpostetikette stammt aus Lettland. Leitstempel «Poste Aerienne Bagdad - Caire». Über der Marke befindet sich ein weiterer kaum lesbarer Leitstempel «BAGDAD - HA — par voie aerienne».

Der erste einer Reihe von Versuchsflügen der RAF erfolgte am 23. Juni 1921 ab Cairo, am 30. Juni ab Bagdad. Zunächst wurde nur Dienstpost befördert, auch mit dem ersten regelmässigen Flug ab Cairo am 21. August. Die Zulassung privater Post erfolgte mit dem Flug ab Cairo am 13. Oktober 1921, ab Bagdad am 11. November 1921. Die Flüge fanden 14tägig statt; ein wöchentlicher Dienst wurde erst im April 1927 eingeführt. In Teheran aufgegebene Briefe erhielten dort einen Leitstempel «POSTE AERIENNE / BAGDAD - CAIRE». In Bagdad und Cairo erfolgte (leider) keine besondere Kennzeichnung der Flugpostsendungen. Die Schweizer PTT - immer darauf bedacht, auch ausländische Linien für die Schweiz nutzbar zu machen - gab im Amtsblatt vom 2. März 1922 folgendes bekannt:

Abb. 4. Flugpostbrief Bagdad - Romanshorn. Aufgabe in Bagdad 20 ÄUG 25, Transitstempel Cairo 22. VIII. 25, Geneve 29. VIII.25.-9, Zürich 29. VIII.25.-12, Ankunftstempel Romanshorn 30. VIII.25.-9.

Flugpost Cairo - Bagdad. Gemäss einem Übereinkommen mit der englischen Postverwaltung kann die Flugpost «Cairo - Bagdad» für die Beförderung von Briefschaften aus der Schweiz nach Mesopotamien und West-Persien (bis Buschir) benützt werden. Alle 14 Tage verkehrt zwischen Cairo und Bagdad ein Flugzeug; es verlässt Cairo jeden zweiten Samstag nach Ankunft der englischen Schiffe der «Peninsula & Oriental Steam Navigation Co.». Die Beförderungsdauer Genf- Bagdad beträgt 9 bis W Tage, statt 24 Tage auf dem gewöhnlichen Wege. Die Abfertigung dieser Sendungen besorgt die Auswechslungsstelle Genf l jeden zweiten Freitag um 8.00 Uhr. Die ersten Abgänge finden am 10. und 24. März nächsthin statt. Zur Beförderung mit dieser Flugpost sind gewöhnliche und eingeschriebene Briefpostgegenstände (ohne Einzugsmandate, Nachnahmen, Wertbriefe und Wertschachteln) zugelassen. Diese Sendungen müssen in der linken obern Ecke der Adresseite die deutliche Aufschrift «Par avion Caire - Bagdad» tragen. Die ausser der gewöhnlichen Frankatur in schweizerischen Briefmarken zu deckende FlugpostZuschlagsgebühr beträgt 80 Rp. für je 20 gr. oder Bruchteile davon.

Die Zuleitung erfolgte von Genf mit der Bahn nach Marseille, wo die Post den Schiffen der P & O Linie übergeben wurde. Der ziemlich hohe Flugpostzuschlag von 80 Rp wurde am 1.2.23 auf 60 Rp, am 1.1.24 auf 25 Rp herabgesetzt, am 1.1.28 auf 30 Rp und am 15.12.28 auf 35 Rp erhöht, jeweils für 20g oder Bruchteile. Beförderungszahlen aus der Schweiz (aus einer Statistik der PTT vom Oktober 1924): 1922 (ab März) 376 Briefe (pro Flug durchschnittlich 19 Briefe) 1923 1176 Briefe (pro Flug durchschnittlich 44 Briefe) 1924 (bis Ende Sept.) 709 Briefe (pro Flug durchschnittlich 35 Briefe) Am 27. Dezember 1926 übernahm die Imperial Airways Ltd., die am 31.3.1924 aus dem Zusammenschluss von vier Gesellschaften hervorgegangen war, die Desert Route und verlängerte sie bis Basra. Der Fortführung bis Karachi und schliesslich bis Australien standen noch viele Schwierigkeiten im Wege. Darüber das nächste Mal.